Brandenburger-Radfahrer-Verein von 1884 (B.R.V. v. 1884)
Im periodisch herausgegeben Adressbuch der Stadt Brandenburg (Druckerei u. Verlag Wieseke), in welchem alle geschäfts-fähigen Personen, Behörden, Institutionen, Vereine mit Adressen und Straßen-verzeichissen aufgeführt sind, ist im Jahr 1883 unter der Rubrik Vereine ein „Bicycle-Club“ und als Instructor der Turnlehrer Rosin eingetragen. Seinen Namen las ich auch in einem Bericht vom Turnfest zur Feier des 20jährigen Bestehens des Branden-burger Turnvereins von 1862.
Im März 1909 beging der B.R.V. v. 1884 im Konzerthaus in der Steinstraße (heutiger Standort des Kinos), sein 25. Stiftungsfest ab und fasste die Vereinsgeschichte in einer kleinen vornehm ausgestatteten Festschrift zusammen. In einem für unsere Ohren pathetischen und sperrigen anmutenden Sprach-Duktus liest man auf 30 Seiten interessante Episoden aus 25 Jahren Vereinsleben.
Beginnend mit einer kurzen Einleitung über die damalige Lebenskultur und die „fortschrittlichen“ Entwicklungen der Lebensbedingungen wird darauf hingewiesen, dass durch den zunehmenden Wegfall der körperlichen Arbeit gesundheitliche Schäden entstehen werden, („….die heutige Arbeitswelt schien dazu angetan, die körperliche Entwicklung vollständig hintan zu setzen und die auch die Gefahr brachte, das derzeitige Geschlecht gesundheitlich zu entwerten…“)
Diese Sorge war die Triebfeder von sieben Herren, sich zusammen zu finden und einen Sportverein zu gründen, um diesem aufziehenden Missstand entgegen zu wirken. Seit dem Aufkommen der fortschrittlichen Ideen von „Turnvater Jahn“ Anfang des 19. Jahrhunderts bezüglich der körperlichen Ertüchtigung durch entsprechen-de Bewegung (Turnen) und der der Überwindung der anfänglichen Skepsis der preußischen Regierung gegenüber dieser zunächst suspekten Organisierung, waren Reit-, Turn- und Rudervereine bald wie Pilze aus dem Boden geschossen, so auch einige in Brandenburg an der Havel.
Das Fahrrad war ein relativ neues Gerät, welches insbesondere auch in Form des Hochrades, besonderes Aufsehen hervorrief. Einige solvente Brandenburger, darunter zwei Söhne, Eduard und Carl, der vor einigen Jahren aus Potsdam zugezogene Fabrikantenfamilie Reichstein, hatten sich solche Räder schon frühzeitig beschafft, und so radelten diese „Exoten“ unter dem Staunen der Bevölkerung zu ihrem persönlichen Vergnügen durch die Gegend.
Da traf es sich gut, dass ein „Jahn-Jünger“ in Brandenburg, der ausgebildete Turnlehrer Rosin, auch dieses „Steckenpferd ritt“ und offenbar, angeregt durch den Einfluss englischer Studenten auf den Radsport in Deutschland, von dem er vielleicht in seiner Studienzeit schon etwas erfahren hatte, jenen oben erwähnten Bicycle-Club (1883?) gegründete.
Warum von anderen Manufakturen oder Fabriken Räder kaufen, unser „schönes“ Geld ausgeben für Dinge, die wir selbst herstellen könnten, mögen Fragen gewesen sein, die im Hinterkopf der Gründerväter eines Radsportvereins in Brandenburg herumgeschwirrt sind. Denn das große Interesse der Bevölkerung war ihnen nicht entgangen. Jede Ausfahrt war ja eine kostenlose Werbetour. Natürlich schwebten ihnen sicher dabei auch die hehren Ziele zur Hebung der Volksgesundheit vor („…um durch die Schaffung eines Vereins, die durch Radsport am eigenen Menschen (Leibe) erfahrenen Wohltat einer größeren Allgemeinheit zur Erkenntnis zu bringen…“)
Damit waren Ziel und Zweck der Vereinsgründung klar umrissen, und dem Zusammenschluss am 19. März 1884 im Schwarzen Adler zu Brandenburg stand nichts mehr im Wege. Die sieben Gründungsmitglieder waren:
Man war sich über das „....wahrlich edle Wollen, das vom Erfolg nicht ungekrönt bleiben sollte…“ einig. Freilich waren in der Stadt bei der Masse der Bevölkerung auch mit „…äußerster Geschicklichkeit Vorurteile und Verständ-nislosigkeit zu überwinden…“ Aber rückblickend nach 25 Jahren ist zu sagen, dass „…heute der Sport im Volksleben so fest gewurzelt ist, wie auch im Leben des Einzelne…“ Dem Fernstehenden konnte der Rad-fahrsport als etwas Erheiterndes, Vergnügen- und Lustbereitendes nahe gebracht und vermittelt werden, dass durch die „… Ausübung des Sports auch die Gesundung und Wohlfahrt des menschlichen Körpers und somit die des Geistes in unmittelbarem Zusammenhang stehen“. Nicht nur die Volksgesundheit profitierte mit „Fug und Recht“, sondern er hat auch „…seinen unverkennbaren Einfluss auf die Hebung des wirtschaftlichen Wohlstandes geübt. So hat er bedeutende Industrien hervorgezaubert, die Hunderttausende ernähren, unschätzbare hohe Werte umsetzen und einen Nationalschatz von nicht geringer Bedeutung gebildet haben. Das Sportsleben hat großen Anteil am Aufschwung und der bedeutsamen technischen Entwicklung der Konstruktionen, die in emsiger Arbeit und rührigem Eifer auf dem Kampfplatz regen sportlichen Wettbe- werbes in den allermeisten Fällen ihren Erfinder gehabt hat. Der Sport sei auf solche Weise ein bedeutender Kulturträger und gerade unsere Brandenburger Industrie hat allen Grund, seinen Aufschwung mit der Betä-tigung rühriger Sportsleute in Zusammenhang zu bringen“.
Der engere Zweck des zu gründenden Ortsvereins kam in den Statuten die von Herrn Rosin entworfen worden waren zu Ausdruck.
Der Name lautete: Brandenburger Bicycle-Club
Vorsitzender Herr Rosin
Schriftführer Herr Heidepriem
Kassenwart Herr Schüler
Gemäß den Vereinsstatuten war der Zweck des Zusammenschlusses die Pflege des Radsportes, die Kräftigung des Körpers, der Genuss und die Zugänglichmachung der herrlichen Natur und der Förderung der ungezwungenen Geselligkeit.
Sofort nach Gründung trat Herr Carl Reichstein dem Verein als erstes Neumitglied bei.
Gemeinsame wöchentliche Ausfahrten, die nur die strenge und unwirtliche Winterszeit unterbrechen konnte, waren das immer von neuem anregende Moment im Vereinsleben. Viele Episoden und komische Zwi-schenfälle wurden aufgezählt, die die Lachmuskeln zum Zittern brachten. Lange Zeit habe das Hochrad eine bedeutende Rolle im Verein gespielt, welches mit etwas Wehmut der Könner auf diesem Gerät in den Hintergrund gedrängt wurde. Das Niederrad erfordere deutlich weniger Geschick, und deshalb könne das Fahren darauf von Jedermann leicht erlernt werden.
Das Gründungsjahr unseres Vereins fiel auch mit dem, des Deutschen Radfahrer-Bundes (D.R.B) in Leipzig zusammen, den man am 17.8.1884 dort gegründete hat, und er war somit einer der ersten, der dieser großen Gemeinschaft betrat und dadurch mit den Bundesgedanken, Bundes-Zwecken und Zielen tief verwachsen. Das Bundesgebiet wurde in durchnummerierte Gaue aufgeteilt und Brandenburg dem Gau 20 (Berlin) zugeordnet. Dadurch kam es zu vielen gemeinsamen Veranstaltungen. Der Eintritt in den Bund bewirkte auch die Abänderung der Vereinsstatuten, um diese mit denen Bundesgrundsätzen in Übereinstimmung zu bringen. Man wählte sich ein Club- Abzeichen und taufte die Vereinigung um in:
Brandenburger Radfahrer-Verein von 1884
Aus dem Vereinleben:
In Versform werden dann heitere Episoden von den ersten Ausflügen vorgetragen:
Als Kostprobe hier einer der 12 Verse:
Am Rathaus, beim Roland, dem steinernen Mann,
Versammelt sich alles, was radeln kann,
In frühester, herrlicher Morgenstund‘
Beratend das Ziel im eifernden Bund.
Die 11 weiteren Verse hier kurz zusammengefasst: Mit Kreide wird nun am Roland für die Nachzügler ein Vermerk gemacht, wohin die Ersten aufgebrochen sind, z.B.: Wilhelmsdorf, Paterdamm oder Plaue. Zu früher Morgenstund‘ um vier war man in Windeseile aus den düsteren Mauern der staubigen Stadt in die grünende, waldige Natur aufgebrochen, wo die Sonne lacht, sich nie gekanntes auf prangenden Feldern offenbarte, einfach der Freiheit entgegen. Natürlich war nicht nur der Weg das Ziel, sondern der „Krug“ (oft der Neue Krug in Wilhelmsdorf), wo man den labenden Wein genoss und ein echtdeutsches Wort plauderte. Gut gelaunt „...dann geht’s in den Sattel, gestärkt und erfrischt…“ wurde die Fahrt fortgesetzt. Manche, die dem Weine etwas vermehrt zu gesprochen hatten, kämpften auf dem Hochrade nun gegen die unbändige Kraft, die in den Newton’schen Gesetzen beschrieben ist an!
Ein anderer Anekdote von einem Hochradfahrer mit Namen Hermann Grave berichtet, dass er einst an einem heißen Sommertag in das 5 km entfernt Brielow aufgebrochen und dann sehr durstig und mächtig ins Schwitzen gekommen war. Nach seiner Darstellung habe er dort in seiner Not dreizehn Gläser Milch getrunken, die er wohl auch wegen der weißen Farbe des Bierschaums mit dem edlen Gerstensaft verwechselt hatte. Auf der Heimfahrt habe ihm die „Milch“ die Blicke verschleiert und so fuhr mit einer Frau nebst ihrem Kinderwagen zusammen. Bei seinem Sturz von seinem Veloziped aus großer Höhe habe er auch noch 500 Mark in bar und seine wertvolle Uhr mit Kette verloren. Jeder im Verein wusste offenbar, dass er selten genügend Bares bei sich führte und er ganz gern mal einen über den Durst trank. So war das Gelächter groß.
Auch ein in Brandenburg lebender Italiener mit Namen Hugo Villa hatte sich dem Verein angeschlossen und radelte gern forsch auf unerlaubten „Seitenwegen“, was auch damals schon polizeilich verboten war. Ein Polizei-Inspector stellte ihn und beinahe hätte er eine saftige Geldstrafe kassiert. Villa, der außer Deutsch aber auch Englisch und Französisch sprach, kauderwelschte in diesen Sprachen seine Entschuldigung. Dem Polizisten wurde das zu dumm und hat ihn fast verzweifelt mit den Worten: „So fahren Sie zum Teufel“, von der Sühne befreit, was Villa sofort gut verstand und umgehend verschwand.
Einheitliche Club-Anzüge -
Stärkung das Zusammengehörigkeitsgefühl
Am 15. August 1884 fasste der Vorstand den Beschluss, sich mit einem Club-Anzug einheitlich zu uniformieren, um die Vereinigung nach außen hin besser kenntlich zu machen, so wie es heut zu Tage jeder kleine und große Sportverein noch tut. Es wurde sich entschieden für: Kniehose, Jacketts, lange Strümpfe und leichtem Wollfilzhut in einheitlich dunkelblauer Farbe. Später trug der Verein die blau-weiße Mütze, die bald als Farbe des B.R.V. galt und auf Dauer beibehalten wurden. Bei allen Gau- und Bundesfesten wurden den Brandenburgern Achtung und Freundschaft entgegengebracht, und oft wurden sie mit einen nicht enden wollenden Jubel begrüßt; dann als Preiserringer konnte der Verein getrost und ohne besondere Einbildung die Spitze der radelnden Korporationen übernehmen. Oft galten die Brandenburger als Favorit und wurden dann dieser Rolle auch gerecht.
Am 2. Januar 1885 beschloss man, die Fahr-Übungen, also das Training, in der Winterzeit nicht ruhen zu lassen. Für das Reigenfahrtraining wurden ein extra großer Saalteppich sowie 6 Saalmaschinen im Werte von 700 Mark angeschafft. Da die Mitgliederzahl noch nicht allzu groß war, half nur eine nachahmenswerte Opferfreudigkeit (heute Sponsorentätigkeit), einiger gut situierter Mitglieder. Diese Opferwilligkeit zeitigte auch bald wohlverdiente Freude. Das bedeutete, dass dem Verein bald eine Reihe talentvolle und gewandte junge Männer beitraten, die mit Eifer und Erfolg wöchentlich das Saalfahren übten und so einen Stamm guter und sicherer Fahrer bildeten, die für den Verein manch herrlichen Preis errangen.
Den Mitbürgern der Stadt die kunstfertigen Leistungen der Kunstradfahrer vorzuführen und weitere Kreise für den edlen und anmutigen Sport zu interessieren, war der treibende Gedanke für den Beschluss, die später allbekannten Gala-Kostümfeste zu inszenieren.
Das erste dieser Feste wurde am 9. Januar 1886 im Konzerthaus unter freundlicher Mitwirkung des Magdeburger Turn- und Veloziped-Clubs, des Burger Veloziped-Clubs und des Genthiner Radfahrer-Vereins begangen.
Eröffnungsfahren und Schlusskorso wurden gemeinschaftlich meisterhaft von 6 Mitgliedern des Burger Velocipeden-Clubs und 6 Mitgliedern unseres Vereins ausgeführt. Zum gemeinsamen Üben waren die Branden-burger mehrfach mit der Eisenbahn nach Burg gefahren.
Auf Galafesten feiern die aktiven und passiven Mitglieder mit ihren Gästen
Bei den ersten Galafesten traten nach Abrechnung teils erhebliche Fehlbeträge auf, denn man hatte den „Wirt“ gewähren lassen, der für eine pompöse Saalausschmückung gesorgt hatte, welche die glänzende Pracht der Kostüme so recht zur Geltung brachte. Auch die hervorragenden Kunstfahrer Schulz, Rohr und Marschner erhielten ein angemessenes Honorar. Außerdem waren Komiker und Humoristen engagiert. Es gab auch häufig unfreiwillige Komik, wenn bei Vorführungen z.B. der „Zylinder“ herunterfiel und der gesamte Reigen darüber fuhr und ihn völlig zerbeulte. Einem anderen Sportkameraden, der stolzer Perückenträger war, verlor dieselbe während des Wettkampfes.
Spätere Galafeste wurden immer professioneller organisiert, die Säle waren von zahlenden Gästen erdrückend gefüllt, und der Verein konnte zeigen, dass er Tüchtiges zu leisten imstande ist.
Im Jahre 1885 ließ sich das erste passive Mitglied aufnehmen und andere folgten dem Beispiel, was die finanzielle Basis des Vereins deutlich stärkte. Als Herr Rosin nach nur kurzer Amtszeit in Jahresmitte 1885 den Vorsitz niederlegte, folgte ihm für den Rest des Jahres der Bankier C. Schmitzdorf. Ihm folgte für die Jahre 1886 und 87 Herr Hofjuwelier Hermann Schüler. 1888 wechselte der Vorsitz an Herrn Rudolf Neumann, dessen Stellvertreter August Niemann wurde und als Schriftführer Arno Tiede, sowie als Kassenwart Johannes Metz gewählt wurden. Am häufigen Wechsel ist abzuschätzen, wie zeitlich umfangreich und aufwendig die Führungs-tätigkeit im Verein geworden war.
Das Gala-Kostümfest am 12. Januar 1889 hatte als Höhepunkt den weltberühmten Meisterschaftsfahrer Richard Schulz im Programm, der Zwei- und Einrad-Soli produzierte.
Ein von 12 Fahrern vorgeführter Reigen eröffnete das Fest, dann folgten eine Dreirad-Quadrille, die Blumen-Quadrille und eine von 8 Fahrern vollendet gut gefahrene Konkurrenz-Quadrille. Alle diese Leistungen ließen einen bedeutenden Fortschritt erkennen. Hier lässt sich auch die erfreuliche Tatsache registrieren, dass von dem Überschuss dieses Festes dem Verein für Waisenpflege und dem städtischen Frauenverein namhafte Summen haben überwiesen werden können.
Am 25. Februar 1889 erreichte eine Achterquadrille in Leipzig einen fünften Platz, hatte sich aber eigentlich mehr ausgerechnet. Das spornte zu weiterem Übungs- fleiß an. Am 30. März in Berlin bei der Eröffnungs-Quadrille beim Gau-Kommers klappte es schon viel besser.
Ein Herren-Essen am 19. März war die etwas bescheidenere Feier zum 5. Stiftungsfest. Natürlich waren bei den sonstigen Veranstaltungen die Damen des Vereins immer anwesend, aber gelegentlich wollte man auch mal „unter sich“ sein.
Die kurz aufeinanderfolgenden Veranstaltungsdaten lassen erkennen, welche Energie die Vorstands- und Vereinsmitglieder an den Tag legen mussten, um die Vorberei-tungsarbeiten in ihrer kaum glaublichen Fülle zu bewältigen.
Am 1. April 1889 war wieder eine Jahresvollversammlung mit der Wahl eines neuen Vorstandes. Der Verein hatte zu diesem Zeitpunkt 60 Mitglieder. Das Wahlergebnis lautete:
Auf dem am 19. Mai 1889 stattgefundenen Stiftungsfest wurde das Vereinsbanner, welches von den Vereinsdamen angefertigt worden war, geweiht. Der damalige Oberbürgermeister und spätere preußische Geheime Regierungsrat Herr Rudolf Hammer, hatte die Liebenswürdigkeit, den Mitgliedern eine sinnige Weiherede zu halten.
Am 13. September fand trotz schlechten Wetters ein Chaussee-Wettbewerb zwischen Neu-Bensdorf und Genthin statt. Ein Korso mit 120 Radfahrern und die Preisverteilung im Stadtpark rundeten den Wettkampf ab. Ein von Ed. Reichstein gestifteter Preis für 5000 Meter gewannen Sportler des Vereins. Anlässlich der II. großen Ausstellung für Fahrräder und Fahrradutensilien in Leipzig am 2. März 1990 gewann die Branden- burger den zweiten Preis für den Niederrad-Reigen.
Recht erfreuliche Erinnerungen bestanden an die Stiftungsfeste, die im Kloster Lehnin begangen wurden. Sie waren im Vergleich mit den Winterfesten sehr abwechslungsreich. Mit Rad, die Damen mit Eisenbahn bis Groß Kreutz, dann weiter mit dem geschmückten Pferdewagen begab man sich an Ort und Stelle. Im schattigen Wald oder am Klostersee wurde gefrühstückt. Gemeinsame Spiele, Festessen und abschließenden Ball bildeten gewöhnlich das Programm: Nicht selten waren Sportkame- raden aus Berlin und Potsdam gern gesehene Gäste der Feier. Bei kleinen Festen war häufig Klein Kreutz das Ziel. Sehr beliebt waren auch die Punsch-Abende in der Winterzeit. Nach einiger Zeit erlahmte bei der überwiegenden Zahl der Vereinsdamen das Interesse am Fahren. Die „Schönen“ wandten sich von uns ab und waren nur durch Überredungskunst und manche ausgeklügelte List aufs Neue für die gute Sache zu erwärmen und zu begeistern.
Den Vorstand im Jahre 1991 bilde der 1. Vorsitzende Carl Reichstein mit dem 2. Arno Tiede. Schriftführer und Schatzmeister waren Paul Liepe und Johannes Metz.
Das Mitglied Bruno Witte war der „Vereinsdichter“, denn für die Gala-Kostümfeste reimte und dichtete er schwung- und hochpoesievolle Theaterstücke und verlieh ihnen einen originellen Charakter und man konnte sich der Gewissheit hingeben, dass schönere und genussreichere Feste in Brandenburg von anderer Seite noch nicht gefeiert worden sind. Erwähnt seien hier ganz besonders vom Jahre 1993 die herrliche Dichtung „Pundts Sportserfolge in China“, 1894 „Von oben nach unten“, 1895 „Radlers Traum“ und als die letzte glanzvolle Nummer „Unter dem Halbmond“.
Auch an dieser Festschrift hat der Vereinsdichter wieder aktiv mitgewirkt und den Prolog gedichtet.
Beim 6. Gala-Kostümfest unter der Mitwirkung der Meisterfahrer Marschner und Fräulein Weidenhammer gab es ein technisches Novum. Zur Erhöhung des Glanzes und der Pracht wurde der Saal des Hohenzollern-parks mit eigens dazu hergerichteter elektrischen Beleuchtung versehen, was zur damaligen Zeit ohne ein zentrales Elektrizitätswerk noch mit nicht geringen Schwierigkeiten und Geldopfern verknüpft war. Die Damen hatten ihre fleißigen Übungen wieder aufgenommen und Fräulein Voigt konnte sich bereits am Gau-Preiskorso beteiligen.
Im darauffolgenden Jahr fuhren je 4 Damen und Herren eine elegante Quadrille und 8 Damen eine Niederrad-Quadrille, die eine gern gesehene Abwechslung bot.
Bald wurden die Damen von auswärtigen Vereinen eingeladen, um ihrer gut eingespieltes radfahrerisches Können zu zeigen, wobei dieses ihnen regelmäßig reiche „Dankeinerntung“ erbrachte.
1893 trat die Damenquadrille aus Brandenburg in der Philharmonie in Berlin in Konkurrenz mit den Herrenquadrillen, was bisher im lieben deutschen Vaterlande von anderen Vereinen noch nicht versucht wurde.
Jährlich wurden zentrale Feste des Deutschen Radfahrerbundes in verschiedenen großen Städten abgehalten, verbunden mit gesellschaftlichen und sportlichen Veranstaltungen und Wettbewerben. Aus allen Gauen kamen Delegierte zusammen. Schon bei dem ersten Bundesfest nahmen es die beiden Vereinsmitglieder, die Sports-kameraden P. Gebhard und C. Voigt sehr sportlich mit ihrer Teilnahme an der Gründungsversammlung am 17.8.1884 in Leipzig, denn sie fuhren mit ihren Fahrrädern dort hin. Auch bei der Teilnahme an späteren Bundestagen, z.B. 1888 in Wien legten die Delegierten aus Brandenburg, Ed. Reichstein und A. Tiede, den größten Teil der Strecke per Rover- bzw. per Hochrad zurück. In Wien waren die Herren A. Tiede und Sessous die einzigen, die unter der Flagge Berlin an der Korsofahrt per Rad teilnahmen.
Schon 1888 wurde das Fehlen einer Radrennbahn in Brandenburg beklagt. Im kleineren Genthin hatte man damals bereits eine solche. P. Gebhard errang dort einen „zweiten Preis“. Auch Paul Tiede startete ver-schiedentlich in Berlin, Nordhausen und Magdeburg und auch er errang einmal einen zweiten Preis. Er musste sich dort nur solchen damals berühmten Rennfahrern, wie August Lehr, beugen, was ja abso-lut keine Schande war, da es in Brandenburg an regel-mäßigem Training auf einer Bahn mangelte. Dennoch ge- lang es Herrn Paul Tiede für 1888 die Meister-schafts-Medaille für Brandenburg zu gewinnen.
Vor allem der Initiative von Carl Jurth war schließlich der Bau des Sportparkes mit der integrierten Zement-Radrennbahn 1899 zu verdanken. Doch in Ermanglung dieser eigenen Rennbahn verlegt man sich zunächst für einige Jahre auf Chaussee-Rennen, sowohl für Vereinsrennen, als auch Meisterschaften von Brandenburg, die vom eigenen Verein ausgeschrieben und veranstaltet worden sind. Sehr erfolgreich war der Straßenrennsport nicht, stellte der Laudator, C. Jurth, in aller Bescheidenheit fest, was so pauschal nicht stimmt, hatte man doch mit Johannes Pundt (einst Meisterfahrer), sowie Max Grubert, Fritz Seyfarth und Carl Bassow weitere tüchtige Rennfahrer auf Straße und später auch auf der Bahn in seinen Reihen. Hier folgt eine Zusammen- stellung von diesen Aktivitäten:
Eine Stafetten-Fahrt von Berlin nach Köln, organisiert vom Deutschen Radfahrerbund, hatte auf dem Strecke Magdeburg-Braunschweig mit 85 km den längsten Abschnitt. In Berlin erhielt jeder Fahrer auf der Abfahrstation im Auftrage der Militärbehörde von einem Major Brix eine Rosette und eine Depesche mit der Losung: “All Heil unserem Kaiser“, die er weitergeben musste, weshalb die Fahrt „Depeschenfahrt Berlin-Köln“ benannt wurde. Der Start war um 12 Uhr am Brandenburger Tor. Für den zuerst eintreffenden Fahrer am nächsten Übergabepunkt gab es einen Preis als Belohnung, was den Wettfahrtcharakter unterstrich. (BA,169/22.7.1892)
Für die Tour Berlin–Brandenburg starteten zehn der besten Fahrer Berlins. Hier in Brandenburg, wo vor dem „Hotel zum Adler“ die Kontrollstation war, hatten sich viele Mitglieder der Radfahrervereine eingefunden. Die Berliner trafen nach folgender Fahrzeit ein: 1. Pundt in 2 Std. 48 Min. 45 Sec., vor Münder 2:48.45 und Köcher 3:04.37 Std. In Brandenburg warteten u.a. die Herren Grubert, Maaß und Voigt. E. Voigt war von ihnen als Erster um 6.48 Uhr in Magdeburg. Alle fuhren auf Brennabor-Rädern(BA./177,1.8.1892). Der Kaufmann, Johannes Pundt, zog wenig später nach Brandenburg und schloss sich dem B.R.V. v. 1884 an. Gesprächsweise erfuhr ich, dass er in die Familie Reichstein eingeheiratet habe.
B.R.V. v. 1884 veranstaltete 23.7.1893 eine Club-Dauerfahrt über 85 km von Brandenburg über Rathenow-Genthin-Plaue bis zur Kürassier-Kaserne. 10 Mitglieder des Vereins hatten gemeldet und starteten am altstädtischen Schützenhaus um 6 Uhr. Trotz heftigen Gegenwindes wurden vorzügliche Zeiten gefahren.
Als Erster erreichte das Ziel: Joh. Pundt um 9 Uhr und 4 Min. (3:04 Std.) drei Min. vor Max Grubert (3:07). Nach erst 25 Min. kamen Carl Voigt (3:32), dicht darauf Carl Jurth ins Ziel und mit noch größeren Abständen Paul Tiede und G. Hampe, die für die 85 km (3:47.25 Std.) benötigten. Den Schluss machten Paul Behrens und Hans Wegener.
Georg Schive und Ugo Villa mussten das Rennen wegen Verletzung der "Pneumatikreifen" aufgeben. Der B. R.-V. hat bei diesem Rennen den Beweis geliefert, daß er nicht nur beim Saalfahren und Corso, sondern auch beim Dauerfahren Hervorragendes leisten kann.
Am Sonntagnachmittag 3 Uhr fanden bei Bensdorf die internen Club-Rennen des „B.R.V. v. 1884“ statt. Eine neue Bestimmung des „Deutschen-Radfahrer-Bundes“, welchem der Verein angehört, streicht die Bezeichnung Meisterschaftsrennen, die jetzt für größere Veranstaltungen, z.B. im Gau, reserviert wurden. Die 5 Rennen, für die jeweils 3 Ehrenpreise ausgelobt waren, verliefen sehr interessant und gaben folgende Resultate.
Der Favorit, Max Gruber, welcher schon bei der Club-Distanzfahrt als Zweiter hinter Johannes Pundt, dem langjährigen Meisterfahrer Deutschlands, einlief, übertraf alle Erwartungen. Abends fand im „Stadtpark“ noch ein Festessen mit Preisverteilung und mit Ball statt, welcher die Teilnehmer nach lange beisammen hielt (BA,189,14.8.1893).
Über das 100 Kilometer-Wettfahren des „B. R.V. von 1884“, welches am Sonntag, dem 26.8.1894, vom schönsten Wetter begünstigt stattfand, bringt die Zeitung „Deutsche Radfahrsport“ folgenden Bericht: Die gestarteten 5 Herren fuhren das Rennen bis zum Schlusse aus. In Anbetracht des wochenlang andauernden Regenwetters, welches den Fahrern nur wenig Gelegenheit zum Üben bot, sind die erzielten Ergebnisse wirklich großartig zu nennen. Am Wendepunkt kamen sämtliche Fahrer in kurzen Zwischenräumen an. Die ersten 50 km wurden nur wenig über den bestehenden Rekord gefahren, indem Herr Pundt diese Strecke in 1:35 Std., Herr Grubert in 1:40 ½, Herr Hampe in 1:40:40. In derselben Reihenfolge gingen die Renner auch durchs Ziel und zwar wurden die 100 km gefahren von Herr Pundt als Sieger in 3:30.00 Std., 2. Grubert (3:37.17, 3), Hampe (3:42.32), Gollert (4:01.22), Jurth (4:09.50).
Herr Pundt hatte unterwegs noch Unfall mit der Maschine, sonst hätte er den 100-km-Rekord erreicht. Am Ziel wurden die Renner von den zahlreich erschienenen Zuschauern stürmisch begrüßt. Am Abend fand in den Räumen des Stadtparks ein gemütliches Beisammensein zu Ehren der Renner statt und es wurden hier nach gehaltenen Ansprachen die wertvollen Preise ausgehändigt (BA,206, 3.9.1894).
Am Sonntag hielt, dem 7.7.1895 der B.R.V. auf der Chaussee Bensdorf-Genthin sein diesjähriges Clubrennen über kurze Strecken ab, das bei prächtigem Wetter und unter reger Beteiligung der Vereinsmitglieder und anderer Sportsfreunde stattfand und ohne Unfall verlief. Hervorragendes leistete Herr Max Grubert, der in beiden Hauptfahren spielend Sieger blieb und im Vorgabefahren die durchweg sehr hoch bemessenen Vorgaben bis auf einen eingeholt hatte.
Für das Erstfahren über 1000 m hatten die Damen des Vereins einen wertvollen 1. Preis gestiftet.
1. Herr Max Grubert 1:51 Std., 2. Herr Hugo Villa 1:51, 3. Herr Hampe 1:53.
Vorgabefahren über 5000 m mit Wendepunkt:
1. Herr Zerning 10:30 Min. (Vg.120 Sec.) 2. Herr Grubert (vom Mal) 8:40 Min., 3. Herr Jurth (Vg.70 Sec.) mit der Fahrzeit 10:05 Min. Den schwächeren Fahrern wurden ganz bedeutende Vorgaben zuerkannt, sodass es fast unmöglich schien, dieselben einzuholen.
Landsturmfahren 5000 m mit Wendepunkt (für Fahrer über 35 Jahre):
1. Herr Jänicke als Hochradfahrer (125 Sec. Vg.) Von den beiden Malfahrern auf Niederrad hatte Herr Sander die Vorgabe noch kurz vor dem Ziel und ging als Erster in 10:39 Min. über das Band. 2. Herr Jänicke 13:03 Min.
Hauptfahren über 5000 m ohne Wendepunkt:
1. Herr Grubert als Sieger in der hervorragenden Zeit von 8:25 Min., 2. Hugo Villa 8:53 Min., 3. Hampe 8:56 Min. und H. Gollert dicht auf.
Am Abend war die Preisverteilung im Stadtpark, verbunden mit gemeinsamen Essen und Kränzchen, welches wohl an 100 Personen vereinigte. Außer den Rennpreisen kamen noch 6 Preise für die Beteiligung an den Clubfahrten im Sommer 1894 zur Verteilung (BA,218,17.9.1894).
Beim gestrigen 50Kilometer-Chausseevorgaberennen des B.R.V. ohne Schrittmacher bei heftigem Wind wurde 1. Herr Bassow in 1:52.7 Std. (bei 10 Min.Vg.), als 2. und Zeitschnellster kam Herr Grubert (vom Mal) in 1:48.50 an. Dritter wurde Herr Gollert (4 Min.Vg.) in 1:53.44 Std., Plätze 4 - 6: Hampe, Wegener und Villa, der 2:14.50 Std. benötigte. Abends war die Preisverleihung mit Tanz im Stadtpark. (BA,157,8.7.1895).
Der B.R.V. von 1884 veranstalte am Sonntag, 12. Juli 1896 sein Vereinsvorgaberennen über 80 km auf der Strecke Brandenburg-Ziesar-Genthin-Brandenburg. Heftiger Gegenwind bestand auf 2/3 der Strecke. Beste Leistungen zeigten die Herren Pundt und Hampe (ohne Schrittmacher).
Gestartet waren: Herr Joh. Pundt (vom Mal), E. Voigt (8 Min. Vorgabe), C. Bassow (11 Min. Vg.), Hampe (12) und Hollerbaum (16). Erster wurde G. Hampe in 2:50 Std. vor Joh. Pundt, Hollerbaum, C. Bassow, C. Voigt. Die schnellste Zeit fuhr Joh. Pundt mit 2:39,45 Std. und bekam den „Zeitpreis“ (BA, 163,14.6.1896).
Am Sonntag, 7.9.1896 hielt der B.-R.V. v. 1884 seine Clubrennen über kürzere Strecken ab. Die Veranstaltung fand bei strömenden Regen statt und führte über aufgeweichte Chausseen.
Ergebnisse:
Sieger der Rennen wurden beim
Platziert waren in den einzelnen Rennen: Hampe, Hollerbaum, Kindel, Klewitz, Bassow, Seyfarth, Fischer, Fricke, Bassow, Kindel. Abends fand ein gemütliches Kränzchen im Stadtpark statt (BA,211,8.9.1896).
Bei herrlichem Wetter fand das Clubrennnen des B.R.V. von 1884 am 26.9. 1897 als Vereinsrennen bei Neubensdorf statt.
Ergebnisse: Sieger der Rennen wurden beim
Platziert bei mehreren Rennen: Neumann, Sauerland, Riese, Voigt, Sander, Friedel, Riese, Seyfahrth. (BA, 226,27.9.1897)
Das Herbstrennen des „B.R.V. von 1884“ am 18.9.1898 gestaltete sich gestern Nachmittag in Folge herrlicher Witterung zu einem überaus schönen Vereinsvergnügen. Die Mitglieder des Vereins, sowie eine Anzahl von Gästen fuhren gegen ½ 2 Uhr vom neustädtischen Markt nach Wilhelmsdorf, von wo aus das Rennen auf der Chaussee nach Grüningen abgehalten wurde.
Die Rückfahrt der Radler erfolgte um 7 Uhr mit Musik. Abends war man im Stadtpark gemütlich beisammen. Dabei wurden auch die besten Kilometer-Dauerfahren (heute Trainingskilometer) im Laufe des Sommers geehrt. Die meisten Kilometer hatten die Herren Schmidt, Hintze, Jacob und Hollerbaum zurückgelegt. Bei den Damen fuhren Frl. Niemann und Frl. Graf die meisten Kilometer (BA, Nr.219, 19.9.1898)
Die Einweihung des Sportparks hat gestern Nachmittag einen überaus prächtigen Verlauf genommen. Mit allgemeiner Spannung wurde das Hauptfahren erwartet, hatte man doch zum ersten Mal Gelegenheit, Herrn Gustav Gräben von hier auch einmal als Rennbahnfahrer zu sehen und zu bewundern. Mit Leichtigkeit und Eleganz schlug derselbe seine Concurrenten ohne jegliche Anstrengung, wofür ihm jubelnder Beifall seitens der Zuschauer entgegengebracht wurde. Auch das Brandenburger Tandempaar Seyfarth-Jacoby verdiente sich besondere Beachtung. Die Resultate der einzelnen Rennen sind folgende:
1. Erstfahren 1000 m, 1. Paul Michaelis-Berlin (2:07 Min.) vor Alwin Hullach-Friedenau
2. Sportpark-Eröffnungsfahren 3000 m: Fritz Binge-Magdeburg (5:192Min.) vor M. Heiny-Berlin
3. Hauptfahren 10000 m mit Schrittmacher: 1.Gustav Gräben-Brandenburg (12:552 Min.) vor M. Heiny
4. Vorgabefahren 2000 m: 1.Paul Damm-Leipzig (3:10Min.) vor Max Anders-Leipzig,
5. Tandemfahren 3000m: 1.Damm-Anders-Leipzig (1:18 Min.) vor R. Lehr-M.-Heiny-Berlin u. F.
Seyfarth/Jacoby-Brandenburg. (BA,Nr.189, 14.8.1899)
Der B. R.-V. Von 1884 hielt am 26.8.1899 bei herrlichem Wetter sein Rennen auf der Rennbahn ab, zu welchem eine zahlreiche Schar von Zuschauern gekommen war.
I. Erstfahren 1000 m für alle Mitglieder, die noch keinen Preis in der Saison erhalten hatten: 1. H. Schüler in 1:40 Min., 2. Leckert, 3. Willy Roetz
II. Hauptfahren über 2000 m: 1. Robert Köhler 3:02 Min., 2. Max Schmidt, Carl Voigt
III. Landsturmfahren 1000 m für Fahrer älter 30 Jahre: 1. Fr. Hollerbaum 1:33 Min., 2. A. Neumann, 3. Carl Bassow
IV. Vorgabefahren 1000 m: 1. Köhler 1:42.7 Min., Robert Jacob, Carl Voigt,
V. 25 Kilometer-Vg.-Fahren mit Schrittmacher: 1. Max Schmidt (3 Rd. Vg.) 36:24 Min., 2. Fritz Seyfarth (4 Rd. Vg.), 3. R. Köhler (3 Rd. Vg.)
VI. Mehrsitzer 3000 m mit Vg.: R. Köhler/Jacob (300 m Vg.) 4 Min., 2. F. Seyfarth/H. Leckert (200 m Vg.), 3. M. Schmidt/C.Voigt (vom Mal)
VII. Schrittmacherfahren 3000 m: 1.Hoffmann 4:36 Min., 2. Dumzlaff 4:36 Min., 3. Deickert (BA,201, 28.8.99).
Schon recht früh, nachdem leistungsfähige und zuverlässige Motore entwi- ckelt worden waren, wurden die Schrittmacherdienste auf den Rennbahnen nicht mehr von Tandems oder mit bis zu 5 und mehr Fahrern besetzten "Hasen" geleistet, sondern von Motorzweirädern. Diese fuhren im Anschluss an die eigentlichen "Steherrennen" nochmals eigene Rennen der "Motore". Diese Entwicklung vollzog sich unter dem Dach des Deutschen-Radfah- rer-Bundes. So ist es nicht verwunderlich, dass der Weg vom Fahrrad über das Motorzweirad bis hin zum eigentlichen Motorrad eine Art Entwick-lungsgeschichte, a´la Darwin durchlief. Die älteren Radsportler sahen wohl auch eine günstige Gelegenheit bei schwindenden Kräften irgendwie bei ihrem geliebten Sport bleiben zu können, bei dem ihnen der frische Wind um die Ohren pfiff! Im B.R.-V. von 1884 ist diese Enrwicklung auch abzulesen. Der einst erfolgreichste Straßenradsportler des Vereins sattelte spektakulär um.
Bei der Zuverlässigkeitsfahrt für Motor-Zweiräder von Frankfurt a.M. nach Berlin, bei der die Fahrer auch Brandenburg passiert haben, sind zwei Herren aus unserer Stadt auf ihren Brennabor-Motorrädern als Sieger hervorgegangen, indem vom Sport-Ausschuß des Deutschen Radfahrer-Bundes Herrn Kaufmann Johannes Pundt der erste und Herrn Karl Reichstein jun. der dritte Preis zuerkannt wurde. Die Herren haben die 621 km lange Strecke ohne Störung in ca. 16 Std. zurückgelegt, obwohl sie keine Berufs-, sondern Herrenfahrer sind. Das bedeutet einen Triumph für die hiesige Industrie gegen die große Konkurrenz der Motorradbauer, aus der Brennabor als Sieger hervorging (BA, Nr.144, 22.6.1904).
Über die Radfernfahrt „Rund um Berlin“ über 240,9 km wird u.a. berichtet: Das Rennen wurde erstmals unter Führung von Motor-Schrittmachern „Töff-Töff“ ausgetragen. Der Brandenburger Johannes Pundt belegte zweiten Platz.
Ergebnisse:
1. H. Steffen-Beelitz (Brennabor) 6:58.48 Std., 2. J. Pundt-Brandenburg (Brennabor) 7:00.56 Std.
3. H. Bachmann (Brennabor) 7:0134 Std., 4. J. Menzel-Berlin (Progreß) 7:05.20 Std.,5. E. Glombitza-Berlin (Neckars-Ulm) (BA,Nr.202, 29.8.1904).
Internationale Zuverlässigkeits-Fernfahrt Berlin-Potsdam-Frankfurt a.M. für Kraft-Zweiräder. Beim Stopp in Brandenburg werden die Fahrer von den Radfahrer-Vereinen betreut. Erste Etappe geht bis Kassel. Von Brandenburg nahmen 6 Fahrer teil: Vom Radfahrer-Verein 1884 Joh. Pundt u. Robert Köhler. Außerdem noch Paul Müller, Richter, Blau u. Grüneberg. Start Sonnabend um 5 Uhr in Potsdam „Restaurant Sanscoussi“ (BA, Nr.123, 26.5. 1905).
Noch 1951 wurde in der DDR eine gemeinsame Fachzeitschrift herausgegeben, die über den Sportbetrieb von Rad- und Motor(rad)sportlern berichten sollte. Man hat aber wohl bald eingesehen, dass sich die Zweige im "Entwicklungsbaum" sich soweit von einander entfernt hatten und dass die Interessen der beiden Fraktionen sehr verschieden geworden waren. Man stellte diesen Versuch dann auch nach ein paar Ausgaben wieder ein.
Bei Steher- oder Derny-Rennen sind zwar immer noch "Motorräder" auf der Bahn, aber die allermeisten Zuschauer begeistern sich an den Leistungen der Radfahrer!
So spezialisierte und trainierte man im Verein das Kunst- und Reigenfahren und errang in die- ser Sparte noch viele Er- folge, wie z.B. den ersten Preis auf dem Bundesfest 1891 in Breslau. Auch auf dem Bundestag 1893 wurde der erste Preis trotz strömenden Regens errungen. Beim 11. Bundes- fest in Hannover waren es dann gleich drei erste Preise in verschiedenen Wettbewerben. Im Jahre 1895 fuhr eine größere Delegation zum Bundesfest nach Graz per Zug. In Pilsen holte man sich ein ganzes Fass „Pilsener“ an Bord und hat wohl bis „zum Abwinken“ davon getrunken. In einem langen Gedicht wurde darüber am 25. Vereinsgeburtstag berichtet. Beim 13. Bundesfest in Halle/Saale wurden ein zweiter, dritter und fünfter Preis errungen. Einige Hochradfahrer waren zu schwer und brachen mit ihren Sportgeräten zusammen. Vielleicht waren diese, inzwischen aus der Mode gekommenen Räder aber auch schon zu altersschwach? Ein weiterer Höhepunkt war dann das Centenar-Sportfest 1897 in Berlin, wo sich die Herrenmannschaft den Kaiserpreis erkämpfte,“… der von Herzog Ernst Günther huldvoll überreicht wurde..“. Ein Jahr später 1899 brachte das Gaufest in Hamburg einen 2. Preis ein.
Auch über die Erlebnisse in Hamburg gibt es einen Reisebericht in Versform, da wohl die Siege und Preise immer zünftig begossen worden sind, was bei diesem und jenem nicht ohne Folgen blieb:
Vom Tierpark Hagenbeck jeder wohl weiß,
Den suchten sich auf nach „begossenem“ Preis
Carl Voigt und Hans Kindel, der Freunde zwei,
Stolzierend an wilden Tieren vorbei.
Doch als sie gekommen zum Affenhaus… usw.
Hermann „Männe“ Schüler unternahm eine Hafenrundfahrt, weil er wohl immer meinte, dass in ihm ein verkappter Seemann stecken würde, dem Wind und Wellen nicht anhaben könnten. Am Bug der Barkasse stehend fiel ihm dann aber sein Essen aus dem Gesicht.
Er beugt sich vorn über und guckte ins Meer.
Und beugte sich wieder und spuckte aber sehr.
Und spuckte in das wogende, salzige Nass.
Sonst weiter war nichts, nur er war recht blass.
Am 11. März 1899 errang man wieder einen dritten Preis im Niederradreigen. Bei anschließenden Hochradreigen kam es zu einer kleinen Katastrophe, denn ….die ganze Schar kam mit der Oberfläche des Saales in recht enge, aber unangenehme Berührung. Das Hochrad hatte nun einmal ausgedient und die schöne Kunst sich seiner mit Geschick zu bedienen, war leider zu bald verlernt.
Ende Februar 1899 trat man beim Saalfest des Brudervereins Potsdam auf und erhielt als Dank ein prachtvolles Album überreicht, welches auf mysteriöser Weise verschwand. Auch darüber wurde die Erinnerung in Versform festgehalten:
„Carl Voigt, den Preis gereicht erhalten,
Wird eine Dankesrede halten,
Und trägt das Büchlein inhaltsschwer“ usw.
Das Album wurde dann zum Schutz unter den Augen der Vereinsmitglieder in einen gelben Bogen aus glänzendem Papier eingeschlagen. Nach der Rückkehr bemerkte Voigt in Brandenburg, dass das Album aus der Verpackung verschwunden war, wie auch immer? Ihm war das Verschwinden der neuen Reliquie offenbar so peinlich, dass er das „gelbe Paket“ ohne Inhalt einfach in den Schrank der Pokale im Klubzimmer ablegte, was jahrelang niemand bemerkte. …….
„Indes des Albums gelbe Hülle
ward wohl verwahrt in aller Stille.
Im Schrein, da aller Preise Ruh‘,
Das Album denkt man sich dazu.“
Das war ein lebendiges Beispiel für die imaginäre Kraft des Glaubens, die alle glücklich und zufrieden machte, bis jemand beim Staubwischen die leere Verpackung fand, und der Schwindel dadurch aufflog! Hier bestätigt sich der sinnreiche Spruch: „Der Glaube kann Berge versetzen!“
Beim Rückblick auf die 25 Jahre im Bestehen und Leben des Vereins stellte der Laudator fest, dass die sich selbst gesteckten Ziele meistens erreicht und nicht selten sogar übertroffen wurden. In jedem Zeitabschnitt wurde ein gebührender Beitrag von den handelnden Personen geleistet. Trotz der des Hauptaugenmarkes auf ernsthafte Vereinsarbeit, durfte die Geselligkeit natürlich nicht fehlen, „um den Mitgliedern auch den geistigen Stoffwechsel nicht vorzuenthalten“.
Die Zeit neben der oft anspruchsvollen beruflichen Tätigkeit der (Vorstands-)Mitglieder war oft knapp bemessen, doch „….fanden sich immer noch einige feuchtfrohe Vereinskameraden (der harte Kern), die bei Gesang und gutem Trunk einige sorglose Stunden miteinander verbrachten“. Dabei wurden dann oft die Probleme, welche durch stürmische Debatten in der geschäftlichen Sitzung nicht gelöst werden konnten, ja sogar die Einigkeit bedrohten, doch noch geklärt werden…. die frohe Laune führte alle wieder, dank Bacchus, zur friedsamen Weise zusammen und harmonisch erklang der Cantus:
Laßt tönen laut den frohen Sang
hinaus in alle Welt,
Verkündet es mit hellem Klang,
Was uns zusammenhält,
Wir wollen eines Geistes sein,
Geh’n treulich Hand in Hand,
Es schlingt sich fest um unsre Reih’n
Der Einheit starkes Band,
Es soll Begeist’rung uns entflammen
All Heil; Hurra usw.
Besonderer Wert wurde darauf gelegt, dass ein Streit immer nur der Sache, nie der Person galt und Meinungsverschiedenheiten die wahre Freundschaft dadurch nie gefährden konnte, wurde sie doch stets gepflegt und nicht nur anlässlich der Kneipenabende.
Ein ganz wichtiger Punkt im Bestehen des Vereins war die Einbeziehung der Frauen aller Mitglieder, welche das Vereinsleben auf vielfältige Weise bereicherten. „Man kam sich ungewollt menschlich näher bei Festen und Ausflügen; lernte wahre Seiten gegeneinander kennen; die Damen setzten oft ihre ganze Kraft dem Vereine zur Verfügung und bildeten letztlich immer den Glanzpunkt unserer Festlichkeiten!
Zum Schluss der Festansprache gedachte man allen Vereinsmitgliedern, die dereinst den Verein mit gegründeten hatten oder ihm später beigetraten waren, hinter denen sich aber die alles Irdische abschließenden Pforten lange geschlossen hatten.
Abschließend stellte der Festredner, Carl Jurth, nüchtern fest, „…wir haben keinen Anlass, uns etwas vorzugaukeln, sondern müssen feststellen, dass der Radsport (gemeint war der Verein) in des Wortes eigenster Bedeutung auf dem Gipfel seiner glanzvollen Entwicklung gestanden hat, dass es zukünftig um den Erhalt des Überkommenen geht“.
Gemeint hatte er wohl, dass der Radsport im Verein als etwas Elitäres seinen Zenit inzwischen überschritten hatte. Das Radfahren war Allgemeingut der breiten Massen geworden und diente überwie-gend dem Verkehrs- und Geschäftsleben, wodurch das ehrlich gemeinte Sportinteresse wich. Es hatten sich inzwi-schen einige weitere Vereine gegründet, die dem B.R.V. v. 1884 nacheiferten, bzw. ihn zu kopieren suchten. Die Exklusivität war gewichen. Die Motorisierung mit ihren Folgen weckte und lenkte das Interesse vieler junger Menschen, besonders auch aus den Reihen der vermögenderen Bürger in eine andere Richtung.
Dennoch blieb nach 25 Jahren erfolgreicher Vereinsarbeit ein tröstliches Fazit: Nur dem Sportsmann, der jede Neuerung zuerst ergreift, ist es zuzuschreiben, dass die Einführung des Fahrrades in die weitesten Volksschichten erfolgt ist, dem Sportsmann, der nie skeptisch den Errungenschaften der Technik gegenübersteht, wie es die Allge-meinheit sonst zu tun pflegt.
Also durfte der Verein stolz auf das Erlebte und Erreichte sein. Er stellte beschwörend fest, dass die Mitglieder auch fürderhin eine enge Beziehung im Verein pflegen sollten und dass der Verein darauf achten müsse, dem Fortschritt der Zeit zu folgen und es nicht versäumen dürfe, seine innere Konstitution den äußerlichen Verhältnissen anzupassen. Er müsse also mit der Zeit gehen und modern sein, um attraktiv zu bleiben.
Der Verfasser dieser Festschrift, Carl Jurth, hoffte mit diesen augenzwinkernden Hinweisen, das zum 50. Stiftungsfest über eine weitere solche erfolgreiche Periode berichtet werden könne und schloss mit dem Ausruf aller Radsportler:
"All Heil" für die kommende Zeit!