Erfolgreiche Radsportler aus Brandenburg a.d.H.:   Erich Peter                                    

Wie  ein  Ballsportler  zum  erfolgreichen  Bahnradsportler  wurde.

Geboren wurde E. Peter  am 11.  Juli 1926 in Brandenburg an der Havel.

Aufgewachsen in der Potsdamer Straße, besuchte er nach der Grund-, die Mittelschule. Das Erlernen von Sprachen fiel ihm leicht, sodass er neben Französisch, auch Englischunterricht  bekam. Sportlich betätigte  er sich  besonders im Fußballspiel und trat in den Verein „Havel 08 Brandenburg" ein.   

Bald nach Abschluss der Schule wurde er 1942 zum Reichsarbeitsdienst (RAD) nach Ostpreußen  in den Ort „Haldenau“ an der Grenze zu Litauen eingezogen. Nach einer kurzen Grundausbildung ging es in die Nähe von Rastenburg, wo von den Jugendlichen täglich körperlich sehr anstrengende Schachtarbeiten im Rahmen von Straßenbaumaßnahmen geleistet werden mussten.  Nach der Rückkehr  aus Ostpreußen erfolgte im Frühjahr 1943 die Einberufung zum Wehrdienst in den Standort Frankfurt/ Oder. Im dortigen Artillerieregiment wurde er zum Funker ausgebildet. Bei der Verlegung an die  Westfront, musste die Einheit in Berlin einen Zwischenstopp einlegen, weil ein anglo-amerikanisches Bombardement kurz zuvor die meisten Bahnhöfe der Stadt schwer beschädigt hatte. In Güterwaggons gelangten die jungen Soldaten nach mehreren Stunden Aufenthalt in Spandau dann bis Brandenburg. Die aus dieser Stadt stammenden Rekruten nutzten diesen erneuten Stopp heimlich für einen Kurzbesuch bei ihren Familien, wohlwissend, dass ein Teil von ihnen ihre Anhehörigen ein letztes Mal dabei sehen würden.

Danach erfolgte die Reise" in die Bretagne und endete im "Kessel von Falaise", wo es im Zuge der  „Operation Cobra“ südlich von Caen im August 1944  zur finalen Schlacht mit den Alliierten kam, bei der etwa 50.000 deutsche Soldaten fielen oder schwer verwundet wurden. Anschließend gerieten 200.000 in englische Kriegsgefangenschaft.

Bei diesem furchtbaren Gemetzel wurde auch Erich durch Granatsplitter getroffen, schwer verletzt und mit notdürftig versorgten Wunden von einer kanadischen Einheit gefangen genommen. Mit einer Panzerfähre wurden die Gefangenen bis Southhampton transportiert. Die schweren Verletzungen an rechtem Arm und Bein, die sich inzwischen infiziert hatten, versorgte man in einem  Lazarett bei Manchester. Er sollte noch mehrere Jahre wiederholt akut darunter leiden.

Nach der notdürftigen Abheilung mit Komplikationen sollte er nach Canada verschifft  werden, verblieb aber schließlich doch in England, wo er in verschiedenen Gefangenenlagern (z.B. in der Nähe von Oxford) meistens in der Landwirtschaft eingesetzt wurde. Ab 1946 wurde das Regime gegen eine Fraternisierung für die Gefangenen gelockert, sodass der Kontakt zur britischen  Bevölkerung einfacher wurde, was das Vertiefen seiner englischen Sprachkenntnisse deutlich beförderte. Schließlich wurde Erich nach Schottland verlegt und arbeitete auch dort vorwiegend in der Landwirtschaft.          

Es war nun den Gefangenen auch erlaubt, am Gottesdienst der Gemeinden teilzunehmen. Dadurch bekam er Kontakt zu einem  kinderlosen Ehepaar, die einen Verlag betrieben. Die beiden behandelten den junge Mann nach einiger Zeit, wie einen Sohn und hätte es wohl gern gesehen, wenn er in Schottland geblieben wäre. Sein  Schulenglisch wurde so flüssig, als wäre es seine Muttersprache. Aber die Kriegswogen hatten sich inzwischen soweit geglättet, und man begann, die jungen Deutschen im Februar 1948 nach Hause zu entlassen. Sein "Gasteltern" waren traurig, als ging! Doch sein Heimweh war größer, sodass er mit anderen Entlassenen in die Heimat oder was davon noch übrig war,  aufbrach. Dorthin, wo ja  auch seine Freundin Helga  war, die viele Jahre auf ihn gewartet hatte. Als die kleine Gruppe endlich bis Magdeburg gekommen war, setzte er sich ab, um einem russischen Auffanglager bei Glöwen zu entgehen,  und schlug sich auf eigene Faust bis Brandenburg durch. 

Auf dem  Arbeitsamt wurde der zu 35% Schwerbeschädigte unerwartet schroff behandelt und  in eine Schrottfabrik (Fa. Panther Stahlschrott-Handel) geschickt, eine Anforderung, die  seine verbliebene körperliche Kraft im rechten Arm deutlich überstieg. Sein älterer Bruder half ihm jedoch, diese missliche Situation alsbald zu beenden. Bei einem kurzen Intermezzo in Templin sollte er, da man viele Lehrer wegen NSDAP-Mitgliedschaft entlassen hatte, nun zum "Neulehrer" ausgebildet werden, was er eigentlich nicht wollte. Er brach diese Ausbildung ab.

Seine guten Englischkenntnisse und sein langes Verbleiben im „kapitalistischen Ausland“  nach Kriegsende machten ihn kurz nach der Heimkehr den neuen Machthabern im beginnenden „Kalten Krieg“ suspekt und interessant zugleich, sodass er um seine Reputation kämpfen und anderen Versuchungen, "Kundschafteraufgaben", widerstehen musste, was ihm zum Glück aber gelang.

Der richtige Einstieg in ein geregeltes Berufsleben war dann eine Ausbildung zum Industrie-kaufmann in der Märkischen Hutfabrik (vormals Fa. Silbermann u. Co.) in der Krakauer Landstraße.  Nach Abschluss dieser Ausbildung war er auch einmal kurzzeitig Krahnführer im Walzwerk  und ging dann zur Bau-Union, wo er als Industriekaufmann arbeitete. Später war er viele Jahre der Oberbuchhalter der PGH  der Fleischer. Später qualifizierte er sich in Potsdam zum Wirtschaftsprüfer und hat diese Tätigkeit viele Jahre ausgeführt.

Sein jüngerer Cousin, Erwin Rüdiger, war 1945 bei Belzig mit 110 Jugendlichen eingezogen worden, um in einem Volkssturmbataillion den "Russen" aufzuhalten! Achtzig seiner jungen Kameraden bezahlten diesen Irrsinn in den letzten Kriegstagen noch mit dem Tode! Er hatte großes Glück und begann nach kurzer Kriegsgefangenschaft in einem amerikanischen Lager, 1946  mit dem Bahn-Radsport. Zunächst fuhr er mit seinem alten Schulkameraden, dem später berühmten, auch aus Brandenburg stammenden Straßenfahrer, Rudi Kirchhoff, auf der Aschenbahn. Als dieser nach Berlin verzog, sprach er 1950  Erich  an, es ihm gleich zu tun.  

Erichs rechter „Wurfarm"  hatte  ja durch die Kriegsverletzung so stark  Schaden genommen, dass ein Umstieg zum  Ballspielen auch  nicht mehr zu denken war. Er hatte inzwischen auch mit  Rudi Kirchhoff  schon etwas trainiert und bemerkt, dass sich seine Beine auch für den Radsport gut eigneten. In Westberlin kaufte er sich mit umgetauschtem  Geld  einen Rennradrahmen und baute sich eine Bahnrennmaschine zusammen. Gefahren wurde auf der Aschenbahn von ehemals SV Havel 08 an der Massowburg hinter dem Silokanal, des heutigen Sportplatzes von Victoria Brandenburg.                   

Erwin und er wurden bald ein sehr  erfolgreiches Zweiergespann und „räumten"  bei den damals beliebten Aschenbahnrennen  tüchtig ab.

Der neue Nachkriegsverein in Brandenburg  wurde vom Traktorenwerk  finanziell getragen  und nannte sich deshalb auch „BSG Traktorenwerk Brandenburg (Havel)".  Erwin Rüdiger war  in seinem Trägerbetrieb als Schlosser angestellt und bekam großzügig  Freizeit an zwei Tagen pro Woche, um richtig trainieren zu können.                                       

Als die Innenstadt vom Kriegsschutt befreit werden sollte, hatten Kurt, genannt Schmirgel Reuter, ein radsportverrückter  Unterstützer von Erwin  und andere die Idee, einen Teil des Schuttes zum Bau einer richtigen Radrennbahn  aus Beton auf dem Sportplatz in der Brielower Vorstadt zu nutzen. Ihm gelang durch intensive Überzeugungsarbeit bei den damaligen Stadtoberen das Projekt alsbald „anzuschieben“,  da das "Eisen geschmiedet werden sollte, solange es heiß war".

Erich hatte schon von der "hohen Kunst" gehört, derer es bedurfte, um  eine ordentliche Rennbahn zu bauen und fuhr deshalb  mit einem  Ingenieur aus der ehemaligen „Wiemann-Werft“ nach Heidenau bei Dresden, wo eine  perfekte Zement-Bahn stand, die für die Olympischen Spiele 1936 unter Leitung von Experten erbaut worden war. Sie vermaßen die internationalen Anforderungen entsprechende Bahn akribisch und wollten damit sicher gehen, dass das neue Bauwerk in Branden-burg auch in Länge und Kurvenneigung alle diese Ansprüche  erfüllte.

Die beiden "Kundschafter" hatten aber nicht mit „Schmirgels“ unbändiger Energie gerechnet. Als sie nach Hause zurückgekehrt waren, lag da schon die Bahnaufschüttung und maß 385 m. Sie aber hatten sich vor-genommen, dass die Bahn  333,3 m lang sein sollte und musste, nicht länger und nicht kürzer! Doch der begonnene Bauablauf war nicht mehr zu stoppen. So wurde nun bis 1951 von der Bau-Union Brandenburg eine Bahn mit 2,50 m überhöhten Kurven fertigerstellt, die aber für die Ausrichtung von  internationalen Wettbewerben keine Chance haben würde. Aber mit den vorhandenen Aschenbahnen brauchte sie den Vergleich natürlich nicht zu scheuen.

Bei der Eröffnung durch den Oberbürgermeister Kühn am 16.September 1951 durfte Erich  eine artige  Eröffnungsrede mit dem Dank der Radsportler halten, wohlwissend, dass für den Aufwand hätte Besseres entstehen können. Dann durfte das erfolgreiche Zweiergespann Erwin und Erich mit ein paar zügigen Runden die Bahn feierlich unter dem Applaus von 8000 !! Zuschauern eröffnen.

Von nun an gab es regelmäßig  Rennen auf der Bahn, die anfänglich von Otto Köpp organisiert wurden. Es fanden weitere junge Männer wie Otto Prill Joachim Gierth, W. und D. Wernitz  usw. zum Verein, der sich fortan BSG Motor (Süd) Brandenburg nannte mit den Vereinsvorsitzenden Otto Köpp, dem später Herbert Hoffmann und Kurt Reuter folgten. Als Betreuer  der beiden Leistungsträger fungierten gemeinsam die umsichtigen  Herbert Hoffmann und Kurt Reuter.

Erich trainierte meistens auf der Straße und sogar auf der Autobahn (A2), die damals kaum befahren war. Die Trainingstour ging häufig bis Berlin und zurück. Er nahm auch an Straßenrennen teil (z.B. Nauen, Berlin-Cottbus-Berlin).

Aus versicherungstechnischen Gründen verließ er den o.g. Verein 1953. Sein Arbeitgeber, die Bau-Union, hatte eine eigene Sektion, die „BSG Aufbau Brandenburg" gegründet.  Im Team fuhr er aber mit Erwin Rüdiger noch bis 1955 weiter. Er wurde mehrfacher Meister vom Land Brandenburg und fuhr auf vielen Bahnen, wie: (West-)Berlin, Magdeburg, Chemnitz, Nord-hausen, Riesa, Leipzig, Cottbus, Potsdam, Luckenwalde, Ludwigsfelde, Erfurt, Fürsten-berg usw. Mit seinen vielen Siegerschleifen könnte er mehrere Zimmer "tapezieren". Ein DDR-Auswahltrikot, blau mit schwarz-rot-goldenem  Brustring, ist heute noch sein ganzer Stolz.

1955 beendete Erich  Peter seine überaus erfolgreiche  Radsportlaufbahn, eine Sportart, die er eigentlich zunächst nur  wegen der folgenschweren Kriegsverletzung  an Armen und Beinen  als Ersatz für seinen geliebten  Fußball begonnen hatte!

In einem dicken Album sind viele schöne Erinnerungsfotos aufbewahrt, von denen einige jetzt folgen.

 

 

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© Dr. med. Fritz Baars