Hier einige Impressionen der über 1000jährigen Stadt Haldensleben

Die Sektion Radsport von Lok Haldensleben war ein kleiner, aber sehr erfolgreicher Verein! Die Blütezeit lag in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre.

Haldensleben

Kulturspiegel für den Kreis Haldensleben vom 10. Oktober 1957, Herausgeber: Abt. Volks-bildung in Zusammenarbeit mit dem Kulturbund , dem Pädago-gischen Kreiskabinet und dem Kreismuseum Haldensleben

Die Kreisstadt Haldensleben mit ca. 20 000 Einwohnern ist das Verwaltungs-zentrum des Landkreises Börde in Sachsen - Anhalt. Sie liegt westlich der Landeshauptstadt Magdeburg am südli-chen Rand der Letzlinger Heide und hat Anbindung an die A2, die Bahnstrecke Magdeburg - Braunschweig und den Mittellandkanal. Viele interessante Details zur reichen Geschichte, zur Wirtschaft, Kultur und zum Sport finden sich z.B. unter WIKIPEDIA. Markant für die über tausendjährige Stadt ist der einzige reitende Roland, dem mittelalterlichen Symbol für die eigenständige  Gerichts-barkeit, vor dem Rathaus.

Otto Lüders verstorben

Der erfolgreichste Radsportler unse-rer ehemaligen Sektion Radsport, der BSG Lok Haldensleben, Otto Lüders, ist am 15. September 2014 verstorben. Er wurde 82 Jahre alt.

Lüders, der im Drömlingsdorf Mies-terhorst  am 13.6.1932 das Licht der Welt erblickte, stammte aus einer Bauernfamilie. Früh verlor er seine leibliche Mutter und wuchs mit 3 Brüdern und 2 Halbgeschwistern auf. Durch die Kriegswirren musste er als 13jähriger helfen, den Vater ersetzen, um die Landwirtschaft der Familie am Leben zu erhalten. Doch Bauer wollte er nicht werden, und so zog es deshalb den jungen Mann nach Haldensleben. Er erlernte den Beruf eines Schlossers bei der Deutschen Reichsbahn und qualifizierte sich bis zum Lok-Führer, einem Berufswunsch, den wohl viele Jungen seiner Generation hatten. Er heiratete  Ende der 50ger seine Elfriede, und erst die Tochter, später dann der Sohn vergrößerten bald seine Familie.

Seine  "große Liebe" galt dem Radsport. Lüders machte den kleinen Radsportverein in den fünfziger Jahren weit über den Bezirk Magdeburg hinaus bekannt. In seinem "Windschatten" reiften einige hoffnungsvolle Talente heran (W. Büttner, K.-H. Langer). Auf Grund seiner Leistungen, er fuhr in der Lkl. I,  wurde er u.a. in die Auswahl der SV Lokomotive berufen, die bei der DDR- Rundfahrt 1957 eine eigene Mannschaft stellte. Unvergessen bleibt in Kennerkreisen sein 2. Platz bei der langen Etappe über 239 km von Berlin  nach Rostock.  Nicht selten  wurde sein Name unter den aktivsten Fahrern bei den großen "DDR- Eintages-Klassikern" in den Rennberichten   der "Radsport-Woche"  genannt. Auch in den DDR- Besten-listen der Männerleistungsklasse tauchte sein Name auf.

Nicht auszudenken, was er im Radsport hätte erreichen können, wäre er in einem "Sportclub" gefördert worden, wie z.B. G. A. Schur. Aber Otto war bodenständig. Nach Abschluss seiner aktiven Zeit, war er Sektions- und Übungsleiter (Trainer) der Sektion und hat viel Freizeit  geopfert.

Als ich 1962 in die Sektion eintrat, fand ich bald einen väterlichen Freund in ihm. Völlig unaufgeregt und bescheiden, ohne jeglichen Hinweis auf seine eigenen großen Erfolge, die ich damals gar nicht kannte, gab er mir manchen wertvollen Tipp und verständliche Trainigshinweise. Auch dadurch konnte ich als Jugendfahrer schnell Fortschritte machen. Nach meinem Ausscheiden 1966 aus der Sektion (Studium und Beruf), haben wir uns  leider aus den "Augen verloren".

Anfang 2014 führten wir nach 48 Jahren durch glückliche Umstände veranlasst,  ein langes Telefonat. Darauf  wollte ich ihn dann bald mal besuchen, kam aber aus verschiedenen Gründen nicht gleich  dazu. Am 18.9.2014 sollte es endlich klappen, weil ich in Haldensleben einen Termin hatte.  Am 17.9. 2014 rief ich freudig seine Telefonnummer an, um meinen Besuch anzu-kündigen, bei dem wir über alte Radsportzeiten plaudern wollten.

Doch seine traurige Witwe berichtete, dass Otto am 15. September verstorben sei.

Ich bin doppelt traurig! Einmal ist es der Verlust von Otto Lüders und zum anderen die Tragik, dass ich den Zeitpunkt verpasst habe, ihn noch einmal von Angesicht  zu sprechen.

Carpe diem!

Wir  noch lebenden ehemaligen Radsportler von Lok Haldens-leben werden unseren Otto Lüders in guter Erinnerung behal-ten!

 

Im unten stehenden Text finden sich weitere Informationen über Otto Lüders.

Otto Lüders  -  ein großer Radsportler in einem kleinen Verein!

Seine Entwicklung vom Tourenfahrer zum erfolgreichen Amateurrad-sportler anhand  einiger Bilder aus seinem Fotoalbum.*

Als 13jähriger erlebte Otto Lüders unbeschadet  das Ende des zweiten Weltkrieges.  „Die Gnade der späten Geburt“ ersparte  ihm die Teilnahme an militärischen Kriegshandlungen.   Das Hauptfortbewegungsmittel war für viele Menschen ein Fahrrad, so sie eines hatten. Zu den Möglichkeiten des  sportlichen Wett-streites  zählte  auch der Radsport.  Auf fast  autoverkehrsfreien Straßen  konnten  damals  Radrennen  durchgeführt werden.

Sein  Fotoalbum, in  welches er  über den Zeitraum von 5 Jahren sporadisch  einige  Bilder ab 1955 eingefügt  hat,  gibt zu Beginn Einblicke in seine Entwicklung vom Volkssportler zum  erfolgreichen Radrennfahrer und zeigt  später seine  schönsten Erfolge.

Zunächst finden sich ein paar undatierte Bilder, die ihn auf einem sportlichen Tourenrad zeigen, mit dem er  offensichtlich an volkssportlichen Wettbewerben in seiner altmärkischen Heimat erfolgreich teilgenommen hat.

Bald sieht man ihn   auf seinem elterlichen Anwesen  stolz auf einer richtigen Rennmaschine sitzen. Nun schien der Weg frei zu sein, für eine radsportliche „Karriere“.

Der Ortswechsel  aus seinem Drömlingsdorf,  Miesterhorst, in die  Börde-Kreisstadt Haldensleben, sollte dafür Gelegenheit geben. Hier unterhielt die Deutsche Reichsbahn ein Bahnbe-triebswerk (BW), welches gleichzeitig ein großer Arbeitgeber der Region   war. In diesem Unternehmen machte  Otto Anfang der 50er Jahre  eine Lehrausbildung zum Schlosser.

Das „BW“ war aber auch Trägerbetrieb für den Sportverein  „Lokomotive  Haldensleben“, kurz „Lok “,  der durch Initia-tive von Walter Trültzsch seit 1952 auch eine Sektion Radsport besaß. (zur Historie s. a- nächste S.)

In diese trat  Otto ein. Nun trug auch er endlich ein richtiges Renntrikot: Rot mit schwarzem Brustring.  Auf einem Bild bei einer Startaufstellung ist er darin erstmals zu sehen.

Dann folgen ab 1956 Bilder und einige ausgeschnittene Zeitungs-artikel von Rennen, auf welche  er besonders stolz war. Die Beschreibung der Seiten war  aber äußerst  knapp. Manchmal nur die Jahreszahl (z.B. 1956). Er machte nie viele Worte.  So war er eben!  Bei näherem Betrachten des Bildes unter einer extremen Vergrößerung, kann man auf dem Rahmen seines Rennrades die Marke  „Favorit“  lesen. Diese Räder wurden damals aus der CSSR importiert. Auf einem weiteren Foto erkennt man ihn bei einem Querfeldeinrennen. In diesem Jahr „ fuhr“ Lüders erste Erfolge ein, in der  untersten, der „Allgemeinen Klasse“,  und sammelte vor allen Dingen Rennerfahrungen.

Ab 1957 ging es dann aber richtig zur Sache. Er stieg auf Grund seiner bisherigen Leistungen  zunächst in die Leistungsklasse II auf und durfte sich  mit den „Großen“ der „Zunft“  messen. Inzwischen gab es die ersten Sportclubs „SC“, die den Leistungssport  staatlich gefördert, professionell betrieben. Dem Volke wurde jedoch vorgegaukelt, dass es sich bei  diesen ausge-lesenen Fahrern um „Amateure“ handele. Nun hatten es die echten Amateure doppelt so schwer!

Im Bezirk Magdeburg  gab es aber keinen dieser Sportclubs, jedoch  starke Konkurrenz aus dem Amateurlager.

Namen, wie Horstmann, Tell, beide Lok Magdeburg u.a.m. standen häufig in den Ergebnislisten.

Ein besonderes Rennen dieser Zeit, war das traditionelle Kriterium „Rund um das Haus der Einheit“, in Haldensleben,  welches wohl Walter Trültsch aus der Taufe gehoben hat. Es erlebte 1957 seine „5.“ Auflage. Nun endlich war ein „Lokalmatador“  da, welcher der auswertigen Über-macht die Stirn bieten konnte. Er enttäuschte nicht!  Es tausenden Kehlen wurde geschrien:“Otto, Otto“! Und Otto zeigte allen, „was eine Harke ist“. Er wurde zwar zum Schluss „nur“ Zweiter,  war aber der „Sieger der Herzen“!

Im Verlaufe des Jahres 1957 war er im gesamten Raum der DDR unterwegs und durfte auch einmal nach Regensburg,  um dort  bei einem großen Rennen zu starten. Der kalte Krieg war damals eben noch „lauwarm“.

Dann kam ein einschneidendes Ereignis.  Das Traditions-rennenHarzrundfahrt“ mit Start und Ziel in Magdeburg  am 30.6.1957, lockte wie immer, Fahrer mit Rang und Namen  in die Elbestadt. G. A. Schur  z.B., war damals schon ein ganz Großer. Um es kurz zu machen. Es war ein ungewöhnlich heißer Tag, ohne dass  der „Zeitgeist“  bereits von   Klimawandel sprach! Viele „große Namen stiegen" bei diesem „langen Kanten“ entkräftet sang und klanglos aus, darunter Schur, der sich dann wohl etwas  verschämt als „Rennverpfleger“ zur Verfügung stellte und den anderen das Wasser reichte. Nur die „Härtesten“ kamen durch. Darunter der blütenreine Amateur aus Haldensleben. Im Stadion der Bauarbeiter tobten die Massen. Er musste zwar einigen noch den Vortritt lassen  --  aber  5., was für ein Erfolg!  Bilder zeigen Otto von Freunden und der Presse umringt.

Kurz darauf fand das „Inselrennen“ in Magdeburg – Buckau statt. Unermüdlich kämpfte Otto auch dort, und  er musste nur dem Einheimischen schnellen Horstmann den Vortritt lassen.

Doch dann kam eine wunderbare Berufung für den 25jährigen, „shooting star“, würde man heute sagen. Er wurde in die  „Auswahl“ der Sportvereinigung Lokomotive der DDR berufen, die alle Vereine mit diesem Namen  repräsentierte. Die internationale DDR-Rundfahrt 1957  mit 14 Mannschaften und 70 Teilnehmern führte in 9 Etappen über  1513.5 km durch die gesamte DDR und war das größte nationale Rennen. Die Lok-Amateure wurden zu einem Trainingslager in Halberstadt zusammengezogen.  Man hatte ihnen in einem Artikel in der „Radsport- Woche Nr. 28, 1957“ nur wenige Aussichten beschei-nigt.  Ein Bild aus seinem Album zeigt die Teilnehmer und Betreu-er, deren Namen ich erfolgreich  recherchieren konnte, Besonders danke ich Berthold Rettig (damals Lok Bautzen), der selbst Teilnehmer war.

Kurz  gesagt.  Diese Amateure boten den „Profis  der Clubs" die Stirn! In der Mannschaftwertung gab es den 4. Platz, Otto wurde 26. in der Einzelwertung bei einem 2. Platz der Etappe Berlin nach Rostock. Einige Bilder und Zeitungs- ausschnitte dokumentieren diese Zeit.

Dann folgen Bilder, die den vielseitigen Lüders zeigen. In den Wintermonaten betrieb er Querfeldeintraining und –rennen, um Technik, Kraft, Ausdauer zu schulen und  fit für den Sommer zu sein.

Auch Dokumente  in entspannter Atmosphäre zeigen ihn  und seine  Radsportfreunde bei der „Mai-Demonstration 1957“, ein gesellschaftliches „Muss“ zur damaligen Zeit  für Betriebe und deren Sportvereine, sowie  bei einem gemeinsamen Saison-ausklang im „Waldhaus Forst“.

Auf einem weiteren, undatiertes Bild aus (1957?),  sieht man  den konzentriert fahrenden „Kämpfer“ Otto Lüders.

Zwei schöne Bilder aus 1959 zeigen ihn beim Kampf um die Bezirksmeisterschaft in Olvenstedt bei Magdeburg

Interessante Schnappschüsse halten  Episoden vom 6.10.1959 fest. Die DDR hatte einen Amateur-Doppelweltmeister, G. A. Schur, der durch die Medien sehr befördert,   von vielen sehr bewundert wurde, und den eine gewisse „Aura“ umgab. Eines der Bilder zeigt dann Otto Lüders, in dessen Windschatten „Täve“ fuhr! Dieses Phänomen haben sicher nur wenige Radsportler dieser Zeit erleben dürfen – „Täve“ am Hinterrad!

Andere Aufnahmen  bilden  Otto  trainierend mit Ernst Bohne und einem mir unbekannten Sportler auf dem Lok-Sportplatz an der Jahn-Allee ab. Ihm war Kurventechnik wichtig, da damals noch viele Rennen auf der Aschenbahn entschieden wurden.

Doch im Jahre 1960 zog er sich aus dem aktiven Radsport zurück. Er hatte sein berufliches Ziel erreicht, Lokführer zu werden. Der Schichtdienst ließ ein regelmäßiges Training in einem Umfang, wie es für einen erfolgreichen  Amateur im Hochleistungsbereich notwendig gewesen wäre, für den damals 28jährigen nicht mehr zu. Vielleicht hatte er auch erkannt, dass der Wettstreit zwischen "SC" und "BSG" zu ungleich wurde und nicht zu gewinnen war!

Dem  Radsport blieb er aber weiterhin treu. Doch nun stand er auf der anderen Seite, bekam nicht die Blumen, sondern überreichte sie den Siegern und Platzierten.  Er war auch noch für Jahre  Sektionsleiter und der Organisator des  Rundstrecken-rennens  in Haldensleben. Seine Frau arbeitete  ebenfalls im Sektionsvorstand mit.

 

Ein letztes Bild zeigt  ihn sehr entspannt lächelnd auf seinem Sportrad  --   soll er nun in Frieden weiterradeln!

 

*Die Bilder wurden mir freundlicherweise von seinem Sohn, Dr.Ortfried Lüders, zur Verfügung gestellt.

Er war der erfolgreichste Fahrer unserer Sektion Radsport.

Otto Lüders :

Seine radsportlichen Erfolge chronologisch.

Wie groß war die Sektion?

Meistens betrieben  10 bis 20 aktive Mitglieder den Radsport. Trägerbetrieb war das Bahnbetriebswerk Haldensleben.

Mein Beitritt in  diesem Verein war im Frühjahr 1962, nachdem ich etwa 2 Jahre lang einige "Tourenrennen" erfolgreich bestritten hatte. Der Sektionsleiter war damals Otto Lüders, der  bei der Deutschen Reichsbahn als Lok-führer arbeitete.  Er selbst war  der erfolgreichste Fahrer dieses Vereins in den 50er Jahren und fuhr im Männerbereich in der Leistungsklasse I. 

Im Rahmen der DDR-Auswahl der Sportvereinigung Lokomotive  war er Teilnehmer der  IX.DDR- Rundfahrt  1957 über 8 Etappen. Er belegte bei der  1. Etappe Berlin - Rostock über 239 km sogar einmal einen 2. Platz und wurde in der Gesamtwertung 26!  Auch bei großen Eintagesrennen belegte er häufig vordere Plätze und wurde gelegentlich im Rennbericht  als aktiver Fahrer des Renngeschehens genannt. Von ihm habe ich manchen guten Trainingstipp erhalten.

 Weitere erfolgreiche Fahrer in dieser Zeit waren: 

Büttner, Langner, Ahlfeld, R. Körtge, Hübner, Wölkerling, Dumke  sowie Jürgen Ullrich und ab den 60er Jahren: Peter Mattner, Ernst Bohne und Fritz Decker, die in den Ergebnislisten von "Radsport-Woche"  und "Der Radsportler" genannt wurden.

Bis 1965 war ich  während meiner Schulzeit an der Heinrich-Heine- EOS in Haldenleben aktiv in diesem Verein und nahm nach dem Abitur  1966 das Medizinstudium in Halle/Saale auf.  Meine schöne Diamant-Rennmaschine  habe ich damals "eingemottet" und danach  für 40 Jahre mit dem Radsport völlig aufgehört.

Eine Mitteilung in einer "Radsport-Woche" aus dem Jahre 1957  gibt Auskunft über den damaligen Mitgliederstand in der Sektion.

 

Öffentlich Diskussion über Regelveränderungen im Radsport.

Die Sektion in Haldensleben beteiligte sich kritisch  an  der Diskussion in der  "Radsport-Woche"  über  die  damilig  geplante  Änderung der  Wett-kampfbestimmungen.

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© Dr. med. Fritz Baars