Dazu folgen wieder einige Kostproben in Wort und Bild.
Werner Scharch, der in den 50ger Jahren ein hoch geachteter Präsident des DRSV der DDR war, hatte 1960 einen Österreichaufenthalt zur "Repu-blikflucht" genutzt - für einen Funktionär das schlimmste Vergehen! In Ausgabe Nr. 41 der Verbandszeitung war er noch der angesehene Präsident --- drei Wochen danach, nur noch ein ganz schlimmer "Finger", was offenbar ohne die Flucht niemand bemerkt hätte!!
In einer sofort einsetzenden Serie von devoten Zeitungsartikeln voller Entrüstung und galliger Abscheu ob dieser verruchten Tat, wurden viele klangvolle Namen von Trainern und Aktiven als Unterzeichner vermutlich missbraucht für die verbalen Ver-unglimpfungen in der Radsport-Woche.
(dazu Zeitungsartikel weiter unten)
Dieter Wiedemann war ein sehr erfolgreicher sächsischer Radsportler, der in der höchsten Leistungsklasse der DDR fuhr. Sein Klub war der SC Wismut Karl-Marx-Stadt. Im Olympiajahr 1964 hatte er sich für die Friedens-fahrtmannschaft qualifiziert und belegte im Endergebnis der Tour einen hervorragenden 3. Platz. Damit hatte er auch einen Platz in der Gruppe der 15 ostdeutschen Fahrer, die im Rahmen der Bildung einer (letzten) gesamtdeutschen Olympia-mannschaft in einem Ausscheidungswettbewerb zwischen DDR und BRD in Gießen und Erfurt mit 15 westdeutschen Rad- sportlern sich eine der 5 "Fahrkarten" für Tokio sichern konnten, erkämpft. Im Ergebnis des ersten Rennens tauchte er gar nicht mehr auf, denn er hatte lange auf die Chance zur "Republiksflucht" gewartet, die er alsbald nach der Ankunft in Gießen noch vor dem Wettbewerb nutzte. Der Stasi war in der "Vordurchleuchtung der Reisekader" entgangen, dass Wiedemann bei einer Familienfeier in seinem Heimatort, wo eine junge Frau aus Westdeutschland anwesend war, sich in diese unsterblich verliebt hatte.
Die Redakteure des "Radsportlers" hatten aber aus dem "Fall Scharch" gelernt und wollten sich offenbar nicht selbst an der Verunglimpfung eines bis dato unbescholtenen Menschen beteiligen. Das überließen sie ihren Kollegen vom "Deutschen Sportecho", die dann die übliche Mär vom Klassenfeind bemühten, der um die erfolgreichen DDR-Sportler im "Schummrigen" schlich und diese abzuwerben versuchte. D. Wiedemann war zu "schwach", um zu widerstehen, war das Fazit!
Zur "Strafe musste" er dann seine große Liebe heiraten, mit der er noch heute glücklich zusammen lebt, wie er in einem Fern- sehinterview beim MDR berichtete.
Leider hatten solche geglückten Fluchten auch immer negative Auswirkungen auf die Zurückgebliebenen, an den man sich "rächen" konnte. Sein Cousin ist nämlich der damals hochtalentierte junge Allroundfahrer Wolfgang Lötzsch, dessen anfängliche steile Karriere beim SC Karl- Marx-Stadt als Spitzen-fahrer letztlich als Amateur in einer BSG endete. Zwar gewann er hunderte, auch große Rennen, aber ein Friedensfahrtsieg, ein Weltmeistertitel oder eine olympische Medaille blieben ihm verwehrt! Er war war wahrscheinlich das größte Talent des DDR-Radsports seiner Zeit.
Über die beiden schicksalhaften Lebenswege gibt es lesenswerte Bücher bzw. eine DVD.
Es folgen einige Berichte aus den Radsport-Zeitschriften dieser Jahre
Zunächst sah alles ganz harmlos aus. Die kleine Gruppe der Meisterklasse-Fahrer, darunter der seit Jahren sehr erfolgreiche Lothar Appler, hatte beim DYNAMO-CUP 1967 nicht den rechten Schwung, die über sechsminütige Vorgabe gegen-über der Lkl.I aufzuholen.Eine verschlossene Bahnschranke sorgte für weitere Verärgerung. Schließlich radelte man wohl frustriert in einer Art sportlicher Wanderfahrt mit einem enormen Zeitrückstand dem Ziel entgegen und "hakte" das Rennen für diesen Tag ab!
Nicht so die Funktionäre, die das gar nicht lustig fanden! Waren die Spitzenportler in der DDR doch als "Staatsamateure" quasi Angestellte in ihrem jeweiligen Sportclub, über den sie ganz oder teilweise entlohnt wurden. So handelte es sich hier um eine Art "Arbeitsverweigerung", die bei den auserwählten Leistungsträgern natür-liche "keine Schule machen" sollte. "Wehret den Anfängen", dachten sie sich wohl.Und so wurde über eine größere Anzahl von damals bekannten Rennfahrern eine zeitweise Auslandstartsperre verhängt und ein paar Asse erhielten zur Ab-schreckung die Relegation vom Club.
Pikant war die Sache im Falle des spurtstarken Lothar Appler, der sich damals und auch später noch in Höchstform befand und von Sieg zu Sieg eilte. Er verstärkte dann die BSG Post Berlin und tummelte sich bei vielen Rennen wie der Hecht im Karpfenteich. Leider war für ihn, trotz seiner hervorragenden radsportlichen Leistungen die internationale Karriere beendet, d.h.: Kein Start bei der Friedensfahrt, WM oder den Olympische Spielen 1968.
Auch in der Presse gab es noch einen Schlag-abtausch seines Trainers mit den Funktionären, die in der "Causa Appler" aber keinerlei Spaß verstanden, wenn auch das Satireblatt "Der Eulenspiegel" als Medium benutzt wurde.
Es folgen die damaligen Mitteilungen:
.