Trainingsziele:
Von der Empirie zum Wissen
Schon im alten Griechenland gab es Einrichtungen für die Schulung in Leibesübungen, die Gymnasium genannt wurden. Später erweiterte man diese Erziehung noch um die geistige Ausbildung. Diesen Schultypus haben wir noch heute. Es wurde also schon früh erkannt, dass man für gute Leistungen üben (trainieren) muss. Diese Erkenntnis gilt natürlich für alle Lebensbereiche, aber besonders auch für den (Leistungs)-Sport.
In der Antike wurden bereits sportliche Wettkämpfe abgehalten mit Regeln und Siegerehrungen in der Art und Weise, wie sie auch noch heute bei Olympischen Spielen durchgeführt werden. Es traten wahrscheinlich häufig „Naturtalente“ bei den Wettbewerben an, die aber sicher auch irgendwie trainiert hatten, sei es im zivilen oder militärischen Bereich (Meldeläufer, Bogenschützen, Lanzenwerfer etc.). In der Römerzeit kämpften Gladiatoren bei "Brot und (Sport-)Spiele" in den Arenen, wie z.B. vom Colosseum in Rom bekannt ist.
Das Wort „trainieren“ leitet sich übrigens vom lateinischen Verb „trahere“ (ziehen, erziehen, ausbilden) ab.
Im Mittelalter waren es z.B. Ritter, die das gehobene Publikum auf den Adelssitzen unterhielten und auf Tur-nieren kämpfend „sportliche“ Leistungen vollbracht haben.
Seit Ende des 18. Jahrhunderts wurden verschiedene (Ball-) Sportarten, zunächst von den Wohlhabenden vor-nehmlich in England als Zeitvertreib betrieben. Mit Fortschreiten der Industrialisierung und Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft und des Proletariats im 19. Jahrhundert kam es zunehmend zur Gründung von Turn- und anderen Sportvereinen. In Deutschland wurde diese Ent-wicklung besonders auch durch die Initiativen des „Turnvaters“ Friederich-Ludwig Jahn befördert (Frisch, fromm, fröhlich, frei). Die Entwicklung kulmi-nierte in der Wiederbelebung der Olympischen Spiele 1896 in Athen. Nun war endgültig der Wettkampf-gedanke mit Vergleichen auf nationaler und internationaler Ebene für viele Sportarten geboren.
Die Geschichte des Radsports konnte natürlich erst mit der technischen Erfindung und Verbesserung des Fahrrades beginnen. Darüber habe ich am Anfang meiner Homepage berichtet. Sie ist datiert etwa auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Radfahren kam sehr schnell in Mode, und schon bald gab es Berichte aus der 2. Hälfte über Radrennen in Frankreich und England, an denen auch schon Frauen teilgenommen hatten. Eines der ältesten großen Straßenrennen, welches auch heute noch ausgetragen wird, wurde 1896 von Paris nach Tours gestartet.
Es folgten dann bald in Frankreich, aber auch in anderen Ländern, jährliche wiederkehrende Straßenrennen und Rundfahrten, aus denen oft Klassiker wurden, die nur von gut geübten (trainierten) Fahrern erfolgreich gemeistert werden konnten. Zum einen war das Material noch nicht soweit entwickelt (Räder mit hohem Gewicht und ohne Gang-schaltung), zum anderen wurden teils enorme Strecken von 150 bis 400 km am Stück zurückgelegt bei oft desolaten Straßenverhältnissen. Die belgischen Frühjahrsklassiker u.a. erinnern heute noch bewusst daran.
Die bedeutendste Rundfahrt ist noch heute die „Tour de France“ mit ihrer über 100jährigen Geschichte.
Nur wenig ist über das Training bekannt, welches diese „Heroen“ damals absolviert haben, um diese gigantischen Leistungen zu vollbringen.
Man darf aber sicher davon ausgehen, dass trainiert wurde. Denn jeder der eine Zeit lang regelmäßig Rad fährt, merkt ja, dass es von Mal zu Mal immer leichter fällt, eine bestimmte Strecke zu fahren oder gegen Wind und berg-auf anzukämpfen.
Die gesammelten Erfahrungen wurden sicher unter Sportlern ausgetauscht, welche die „guten Tipps“ wahrscheinlich am eigenen Körper auf die Brauchbarkeit überprüft haben. Auch von Medizinern wurden schon früh Ratschläge gegeben in pucto der richtigen Ernährung und der Abträglichkeit des Rauchen und von übermäßigem Alkoholgenuss. Zumindest die nächsten „Generationen“ konnte von den intuitiven Erfahrungen ihrer Vorgänger, was Belastung und Ruhe anbelangte, profitieren. Bei Etappenrennen wurden zur Erholung auch Ruhetage zwischen-geschaltet. So entstand ein umfangreicher Fundus an empirischem Wissen.
Als sich der Profi-Radsport herausgebildet hatte, wurden im Laufe des Jahres vom einzelnen Fahrer viele Rennen bestritten, um von den Einnahmen auch leben zu können. Oft musste ja auch noch eine Familie mit Kindern ernährt werden. Der große „Rik van Steenbergen“ formulierte es einmal so: “Im Frühjahr trainieren wir, um uns in Form zu bringen. Danach fahren wir bis zum Herbst 2 bis 3 Rennen pro Woche, was ja gleichzeitig das beste Training ist“. Manche fuhren dazu im Winter auf den Hallenrennbahnen Sechstagerennen. Die Profis früherer Jahre beobachteten ihren Körper gut und machten vieles richtig, was später durch wissenschaftliche Untersuchungen und Methoden bestätigt wurde. (Porträt: Rik van Steenbergen in der R.-W.1957)
Dass der Wettkampf das beste Training sein kann, ist eine Erfahrung, die wohl so mancher auch im Jedermann-Bereich schon gemacht hat, weil man sich im „freiwilligen“ Training selten so körperlich „auspumpt und quält“. Zwei bis drei Tage später läuft es dann oft wie von selbst. Ich hatte Anfang der 60er Jahre als Jugendfahrer keine Ahnung vom Begriff und der Bedeutung „Regeneration“. Bald hatte ich mir aber angewöhnt, morgens, bevor ich zu den Rennen fuhr, die Treppen über 3 Stockwerke in unsere Handelsmühle laufend zu erklimmen. Oben angekommen, fühlte ich in den Beinen meistens keine erlahmende „Müdigkeit“. Dann liefen die Rennen auch gut. Quälte ich mich aber zunehmend von Treppe zu Treppe bis nach oben, dann rollte es meistens auch nicht beim Wettkampf. Da war wahrscheinlich meine Regeneration noch nicht ausreichend erfolgt. Den „Test“ mache ich auch heute noch in unserem Treppenhaus über 3 Stockwerke und, er "stimmt" heute noch.
Nun aber noch einmal zur Methodik des Trainings. In den 30er Jahren hatte der Sport im Allgemeinen in den führenden Industriestaaten bereits einen bedeutenden Stellenwert eingenommen. An Universitäten, so auch in Deutschland, wurden Institute zur Erforschung von Sport- /medizinischen Fragestellungen etabliert. Die Olym-pischen Spiele von 1936 in Berlin haben diese Entwicklung sicherlich stark befördert. Das Intervalltraining war als eine neue Methode zur sportlichen Leistungssteigerung erkannt worden. Der deutsche Sportwissenschaftler und Trainer Woldemar Gerschler hatte damit erfolgreich gearbeitet. Er führte den 800m-Läufer, Rudolf Harbig, damit zur Weltspitze. Viele Sportarten, so auch der Radsport, wurde erkannt, würden von dieser Me-thode profitieren.
Kurz gesagt, wird bei diesem Trainingsverfahren unter Kontrolle der mit verschiedenen Belastungsarten (z.B. Tempodauerlauf, extensiver 1000-m- oder Treppenlauf) die Pulsfrequenz kurzeitig in den oberen physio-logischen Bereich gebracht, um in einer darauf kurzen Ruhepause eine annähernde Erholung von Herz/Kreislauf zu erlangen. Die Intervalle werden mehrfach nach einem Trainingsplan wiederholt. Damit können systematisch Grundlagenausdauer, Laktattoleranz/-abbau und Kraftausdauerfähigkeit entwickelt und verbessert werden. Für die verschiedenen in Frage kommenden Sportarten wird das Intervalltraining entsprechend adaptiert.(Wikipedia)
Nach 1945 begann bald die Zeit des kalten Krieges, dem „Kampf der Systeme“ um die epochale Überlegenheit zwischen dem Ostblock und dem westlichen Bündnissystem. Wissenschaft und Technik wurden von beiden Seiten stark gefördert, und es kam zu einem gewaltigen technologischen Innovationsschub auf vielen Gebieten. Stellvertretend nahm auch der medienwirksamen Leistungssport mit den gut messbaren Ergebnissen seinen Platz in diesem Wettstreit ein. Sollten doch die vielen Medaillen und Rekorden und die würdevollen Zeremonien der Siegerehrungen mit Abspielen der Nationalhymnen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen zeigen und vor aller Welt demonstrieren, wie überlegen und attraktiv für die Zukunft das eigene Gesellschaftsmodel sei!
Der mit ungarischen Wurzeln in Wien geborene, Hans Selye, forschte seit den 30er Jahren über die Ursachen und die Wirkung von Stress und beschrieb das GAS (Generelles Adaptations-Syndrom). Er hatte erkannt, was bestimmte, unterschiedlich starke Reize im menschlichen Körper auslösen und wie dieser damit fertig wird, indem er sich anpasst. Das war auch die Grundlage der Trainingsmethode der Periodisierung des Trainings in Zyklen des Rumänen, Tudor Bompa, der seinerseits die Forschungsergebnisse des Russen Leo P. Matwejew nutzte und weiterentwickelte. Die Sportler/ innen des Ostblocks wurden offenbar dank dieser Erkennt-nisse sehr erfolgreich in der Medaillenausbeute bei den olympischen Spielen in dieser Zeit. Das traf auch für die DDR-Sportler in fast allen Disziplinen zu.
Bis in die70ziger Jahren hatte sich das Intervalltraining überall durchgesetzt.
Dann folgten in den 80ern die Labormethoden mit der VO2 max und der Laktatmessung in Anwendung. Es wurden dann an praktikablen Methoden gearbeitet für den Routinegebrauch. Dann begann man Anfang der 80er die Herzfrequenz während des Trainings bei Skiläufern zu messen. In Finnland hatte Seppo Säynäjäkangas , nachdem er 1977 sein Unternehmen „Polar“ gegründet hatte, ein erstes brauchbares Gerät entwickelt. Bis zur Möglichkeit der störungsfreien Anwendung unter Trainingsbedingungen und im Wettkampf dauerte es gut weitere 15 Jahre, woran u.a. der amerikanische Physiologe, Edmund R. Burke, großen Anteil hatte. Nun wurde auch langsam die Routine-anwendung von den Sportlern während des Rennens akzeptiert. Das erste SRM power meter, mit denen die Kraftentwicklung des Athleten über die Tretlagerkurbel gemessen werden konnte, entwickelte der Medizintechniker, Ulrich Schoberer, und meldete 1986 dafür ein Patent an. Diese neue Messtechnik schaffte die Voraussetzung, dass die Trittkraftentwicklung im Zusammenhang mit VO2 max und dem Laktat-Schwellen-Test gemessen werden konnte. (Quellen: Wikipedia, „Creative Commons Attribution/Share Alike“).
Heutzutage sind diese Gerätschaften in einem breiten Sortiment von verschiedenen Herstellern zu teilweise schon erschwinglichen Preisen erhältlich. Meine Familie schenkte mir zum Geburtstag 2007 einen Polar CS600, der heute noch funktionstüchtig ist. Eine Vielzahl der registrierbaren Werte habe ich seit dieser Zeit im PC gespeichert und damit einen wunderbaren Vergleich meiner körperlichen Leistungsfähigkeit in 5 Grafiken über die zurückliegenden "Wettkampfjahre".
Sehr hilfreich sind dabei auch die beiden Tests: Fitness und Optimizer. Die Durchführung ist einfach und in der Anleitung gut beschrieben.
Der erst genannte zeigt als Ergebnis eine Zahl an, OwnIndex Wert (meistens zwischen 35 u. 45), der etwa dem VO2 max. entspricht und damit die aerobe Fitness beurteilt, also den körperlichen Leistungszustand unter genügend Sauerstoffaufnahme beschreibt. Als zweites kann man die HF max-p ablesen, welche objektiver die individuelle mögliche maximale Herzfrequenz wiedergibt, als nach der Formel 220 - Lebensalter in Jahren zu erwarten ist. Es gibt Ta- bellen mit den Fitness-Klassen getrennt nach Geschlecht und Alter zum Vergleichen der eigenen Werte. Der Optimizer basiert auf dem klassischen orthostatischen Übertrainingstest. Das optimal angepasste Training überfordert gewollt die zellulären Strukturen des Körpers (Herz/Kreislauf/ innere Organe usw.). Nach einer optimal angepassten Ruhephase erreicht man nicht nur sein Ausgangsniveau wieder, sondern verbessert sein Leistungsvermögen für einige Zeit, was wie bekannt, Hyperkompensation genannt wird. Dann erst sollte die nächste Trainingsbelastung erfolgen. Der Test am Tag nach dem letzten Training zeigt mit einer Zahl (Own Optimizer zwischen 1 und 9) den „Erholungszustand“ an und gibt Empfehlungen, wie mit dem Training fortzufahren ist oder ob weiter pausiert werden soll. Bei diesem Test wird die Variabilität der HF an 5 Stellen (2x im Liegen, nach dem Aufstehen und 2x im Stehen) gemessen.(aus Gebrauchsanleitung Polar)
In Verbindung mit seinem eigenen Körpergefühl, und bei sorgfältiger Durchführung der Tests unter möglich immer gleichen Meßbedingungen ist das für jeden interessierten Radler und ambitionierten Radsportler, ob Männlein oder Weiblein, ein vortreffliches Hilfsmittel für das Training und die Objektivierung seiner "Form". Auch bei Verdacht auf Untertraining und „Übertrainingssyndrom“ gibt das Gerät Hinweise und hilft bei der Überwindung dieser mißlichen Situation.
In allen Jahren des Erscheinens der "Radsport-Woche" und des "Der Radsportler" gab es über das Jahr verteilt Hinweise und Empfehlungen zum Training auf Straße, Bahn oder im Querfeldein. In den Anfangsjahren gab es auch eine Reihe von Empfehlungen für den "Runden Tritt", zur "Sitzposition" und zur Richtigen Montage des Sattels und zum Fußdruck auf die Pedalen. Häufig wurden als Vorbilder erfolgreiche Straßenprofi aus Italien, Frankreich, der Schweiz oder Belgien angeführt.
Die folgende Serie von Text-Abbildungen aus den "Radsport-Wochen" und "Radsportlern" zeigt, wie über die Jahre kontinuierlich versuchte wurde, das aktuelle Wissen der Sportmediziner und Spitzentrainer im DRSV und den Sportklubs an die Übungsleiter und den Nachwuchs in der Basis heranzutragen.
Das Konzept des empfohlenen Trainings befand sich völlig auf der Höhe der Zeit:
Intervalltraining, Periodisierung, Ausgleichstraining, Regene-ration, Erkennung von Übertraining usw.
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